Donnerstag, 31. Dezember 2015

Kannze Dir schenken

Karikatur: Karlheinz Stannies

Beim Terror in Paris hatten wir wieder diese unsägliche Gerüchte-Stampede im Medienland beobachtet: „Einige setzten noch ihre forschen Eilmeldungen ab, als andere diese schon längst wieder dementierten,“ stöhnte Michael quer über den Stammtisch. „Hauptsache, irgendwas raushauen. Vor allem im Netz. Die Leute wollen das. Angeblich.“

Natürlich gibt es diese Echtzeit-Ansprüche, im Netz der Millionen Bürgerjournalisten und Meinungsmacher. Aber immerhin gab es auch auffallend viel Lob für diejenigen, die erst dann was brachten, wenn es halbwegs abgeklärt war. „Das lässt hoffen“, sagte Jens. „Journalismus mit Ruhe, Besonnenheit und Qualität – das ist doch der Markenkern, den es in die Zukunft zu retten gilt."

Trotzdem: die Erwartungen an Journalisten haben sich total geändert, stellte Stefan fest: „Täglich werden neue technische Möglichkeiten bejubelt. In ihrer digitalen Euphorie haben die Freunde des nächsten Heißen Scheißes ja keinen Superlativ ausgelassen.“ Stimmt, nickte Tanja, „manche steigern sich jetzt schon in den Ejakulativ.“

Wir lachten noch, als sich Birgit meldete: „Ich habe zu Weihnachten auch dieses Jahr wieder das uralte Standardwerk verschenkt: Print stirbt“. Natürlich in gedruckter Form. Sie war schon immer eine kleine Anarchistin.

Man muss digital mitmischen, sagte Rolf. „Ich habe mir zu Weihnachten alle möglichen Apps, Programme und Hilfsmittel besorgt, die man als Journalist angeblich so braucht – zum Überleben. Und gleich ausprobiert .“ Puh, wir atmeten durch: „Und was sagte die Familie dazu?“ Naja, gab Rolf zu, für die blieb wenig Zeit zum Fest: „Aber Opa war begeistert: Ich habe das Gänseessen zu Opa ins Altenheim übertragen, live per Periscope.“

Karsten, der merkwürdig ruhig geblieben war, räusperte sich: „Unsere Chefs schenken uns zu Neujahr einen Newsdesk – und dadurch viel mehr Zeit für Recherche und Qualität.“ Wir erkannten sofort Manager-Sprech und schauten ihn voller Mitleid an: „Kostet wie viele Arbeitsplätze?“ Ungefähr die Hälfte, flüsterte er. Es gibt Geschenke, die kann man sich schenken.

Mittwoch, 30. Dezember 2015

Womöglich unmöglich - irren ist journalistisch

Journalisten, vor allem auch Lokaljournalisten, haben einen schweren Stand, werden mehr denn je angefeindet. Hardy Prothmann vom RheinNeckarBlog, der sich gern als "Zukunft des Lokaljournalismus" feiern ließ und über die angeblich mangelnde Qualität der ("Bratwurst"-) Berichterstattung anderer Medien aufregt, kann ein Lied davon singen. Vor ein paar Wochen fand er an der Windschutzscheibe seines Wagens einen Zettel.


...sie sterben womöglich


Das stand - mit Hinweis auf sein Journalisten-Dasein - darauf, berichtete Hardy Prothmann brühwarm in seinem Blog. Lesen Sie hier alles über die "Todesbotschaft" und den "Terror" der "Dumpfbacke" bzw. des "durchgeknallten Volldepp, vermutlich eine arme Wurst". Und warum sowas natürlich den Journalismus bedroht. Darüber habe er auch seine Mitarbeiter informiert, wegen der Verantwortung, die so ein bedrohter Chef hat. Er tat mir Leid, der vielfach angegriffene Kollege Prothmann, der - bei aller ihm immer wieder sicher nicht zu Unrecht vorgeworfenen Arroganz - stets versucht, sauber zu recherchieren und transparent zu informieren. Also erfüllt es mich jetzt nicht mit allzu viel Schadenfreude, was einen Monat später geschah. Die Polizei bat ihn nämlich zu sich und zeigte ihm die Todesdrohung auf dem Zettel, den er mit der Anzeige abgegeben hatte, in Vergrößerung. Und siehe da, da stand in Wirklich- und Deutlichkeit:


...auch wenn Sie Journalist sind, sie stehen unmöglich


Der Angriff auf die Pressefreiheit und den unabhängigen Journalisten entpuppte sich bei genauerem Hinsehen als (anscheinend  etwas krakeliger) Hinweis auf falsches Parken. Was lernt man daraus? Höchstens: Zweimal lesen, bevor man sich aufregt und wortgewaltig schreibt. Hardy Prothmann, der öfter auch mal Kolleginnen und Kollegen gleich als "Schande für den Journalismus" abkanzelt (aktuell eine taz-Kollegin, siehe hier), hat die mögliche Peinlichkeit allerdings nicht verschwiegen, sondern transparent berichtet: Hut ab! Überzeugen Sie es hier davon.



Mittwoch, 11. November 2015

Helmut Schmidt, Rest & Smoke in Peace - Karikaturen

Helmut Schmidt ist gestorben. Mit 96. An seinem Zigarettenkonsum kam kaum ein Karikaturist vorbei. Auch nicht Thomas Plaßmann (dessen Zeichnung ich bei Twitter fand), Heiko Sakurai und Berndt A. Skott - proudly presented:
Aufwärts
Karikatur: Thomas Plaßmann

Erwartet
Karikatur: Heiko Sakurai

Abwarten
Karikatur: Berndt A. Skott

Freitag, 23. Oktober 2015

Ziehen Sie das Geld Ihrer Mitarbeiter ein

Karikatur: Karlheinz Stannies
"Machen Sie sich ruhig unbeliebt bei Ihren Leuten. Vertrauen und gutes Betriebsklima werden überschätzt." Es scheint, diese fiktive Aktionskarte beim erfundenen Medienopoly gibt es wirklich. Immer mehr Medienmanager nehmen überhaupt keine Rücksicht mehr auf ihre Leute. Sie pfeifen auf Journalistinnen und Journalisten. Egal ob frei oder fest, jung oder alt, print oder online.

Jüngstes Beispiel: Der Berliner "Tagesspiegel" will wegen Anzeigenrückgängen einen "kleinen sechsstelligen Betrag" (so der Betriebsrat) einsparen. siehe hier. Was fällt einem deutschen Medienmanager in so einer Situation ein? Richtig: das kleine Managerhandbuch, Seite 34. Was da steht, machen alle: Sparen Sie zuerst bei denen, die sich am wenigsten wehren können.

Und das sind beim "Tagesspiegel", wie leider so oft und fast überall, die Freien Journalisten. Ihnen wurde gesagt: Ab sofort gibt's keine Aufträge mehr, mindestens bis zum Jahresende. Ein Tiefschlag für Freie, die ohnehin von den Honoraren (wenn denn überhaupt faire gezahlt werden!) meist kaum leben können und als Freiberufler alle Risiken tragen. Da dürfte in einigen Berliner Familien Weihnachten gestrichen sein. Man möchte hoffen, dass alle Freien neue Auftraggeber finden - und dem unfairen und unzuverlässigen "Tagesspiegel" zu Jahresbeginn die LmaA-Absage-Quittung verpassen.

"Den freien Mitarbeitern das wirtschaftliche Risiko des Verlags aufzubürden, ist weder moralisch zu rechtfertigen noch rechtlich hinnehmbar", schimpft DJV-Vorsitzender Michael Konken. Und Alexander Fritsch vom DJV-Journalistenverband Berlin-Brandenburg ergänzt: "Ohne freie Autoren ist eine Qualitätszeitung nicht zu machen." Was der "Tagesspiegel" mache, sei ein "Kettensägenmassaker am eigenen Ruf", siehe hier.

Mit der einfältigen Streich-Idee auf Kosten von Journalistinnen und Journalisten steht der "Tagesspiegel" leider überhaupt nicht allein. Landauf landab kreist der Rotstift in den Abteilungen, die das Produkt "machen". Selbst vor dem Tarif, also dem zwischen Verlegerverbänden und Gewerkschaften oft mühsam ausgehandelten Mindeststandard der Branche, machen die Manager nicht Halt. Kann man Geringschätzung deutlicher machen? Tarifflucht ist allerdings nur eine Variante. Die Liste der Trickser und Umgeher, die der DJV führt, wird immer länger und länger, siehe hier.

Donnerstag, 22. Oktober 2015

Frauen und Männer in der Redaktion

Es gibt halt doch Unterschiede... Sie verstehen, warum ich Twitter so mag?


Dienstag, 20. Oktober 2015

Spielchen im Rotstift-Milieu

Wir waren mitten im Spiel. Plötzlich fragte Frank quer über den Stammtisch: „Habt ihr das auch gelesen? In England zahlt Lidl jetzt den Mitarbeitern freiwillig höhere Löhne, nur um dem Konkurrenten Aldi eins auszuwischen.“ Ein interessanter Ansatz, fanden wir: In die Belegschaft investieren. Mehr Geld motiviert, lockt die besseren Leute an. „Das könnten unsere Medienhäuser auch mal probieren“, fand Helene.

Wir waren leicht abzulenken, der Faden wurde sofort weitergesponnen: Transfermarkt für Journalisten – hohe Ablösesummen für echte Lokal-Experten und Edelfedern – Bleibe-Prämien für zigmediale Wollmilchsäue – fette Honorar-Handgelder für alle Freie – Wechselfenster in der Saure-Gurken-Zeit...

Helene blieb cool: „Hört auf. Die Verleger haben doch ihre soziale Verantwortung verlegt. Und ihre Manager kommen fast nur noch aus dem Rotstift-Milieu.“

„Apropos“, holte uns Manfred wieder zum Lieblingsspiel des Stammtischs zurück: Medienhaus-Scharade. Ein Ratespiel mit bitterem Hintergrund, bei dem uns leider seit langem die Beispiele für Arbeitgeber-Zumutungen nicht ausgingen. Manfred ließ eine imaginäre Spendenbüchse herumgehen. „Gebt, gebt“, schüttelte er die Hand. „Mein Medienhaus ist so bitter bitter arm, wegen der vielen Sozialpläne.“ Wir grinsten: Funke.

Benedikt reichte einen Kuli und einen Zettel herum: „Unterschreibt! Für die Auflage! Abonniert endlich Eure einen Blätter. Das wird doch vom inzwischen tariflosen Gehalt noch drin sein...“ Wir prusteten: Aschendorff.

Dann war Kurt an der Reihe. Er pantomimte einen rennenden Mann, die Hand vor den Augen: „Ich mach's, weil's alle machen.“ Wir lächelten wissend: Bauer, auf Tarifflucht.

Als Alfred dran war, sammelte er unsere Bierdeckel ein und legte sie auf einen Haufen – natürlich nicht ohne ein paar davon auszusortieren. Wir rätselten: Okay, Redaktionsfusionen, Zentralredaktion. Aber wer? Schon wieder Funke? Alfred hob die Handkante zum Gruß, an die falsche Schläfe: „Tätääää“. Wir lachten laut: DuMont. Und dann wurde geschunkelt. Genug für heute.


Donnerstag, 15. Oktober 2015

Dorftrottel - der Ruf der Lokaljournalisten

Ralf Heimann
Einer seiner Tweets löste
übrigens 2010 den
Blumenkübel-Hype aus
Man muss sich wohl (auch für ihn) freuen, dass er vor anderthalb Jahren die Münstersche Zeitung verließ. Die ist inzwischen - nach dem Wechsel vom Dauer-Tarifflüchter Lensing an den Neu-Tarifflüchter Aschendorff - sowas wie ein lokales Zombie-Blatt. Ralf Heimann jedenfalls hat sich seit seinem Abgang als freier Journalist und Buchautor  (u.a. Perlen des Journalismus) einen Namen gemacht. In seinem Blog Operation Harakiri hat er mal wieder über Lokaljournalisten und den Lokaljournalismus geschrieben: Das Primat des Weglassens. Viele Kolleginnen und Kollegen in den Lokalredaktionen werden sich verstanden fühlen. Deshalb freue ich mich, den Text auch hier verwenden zu dürfen, proudly presented:

Von RALF HEIMANN

Joachim Widmann hat keine große Lust auf lahmen Lokaljournalismus. Geht mir auch so. Das klang hier sicher schon mal durch. Ich habe hier ja auch schon öfter erklärt, was mich so stört. Joachim Widmann hat das jetzt in Form der zehn Gebote des Lokaljournalismus getan. So steht es über seinem Text auf kress.de. Und das wäre eigentlich ein guter Grund gewesen, den Text nicht zu lesen. Aber weil ich so neugierig bin, habe ich dann doch die ersten Absätze überflogen, und da steht, dass die Form nicht ganz ernst gemeint ist. Das hat mich etwas beruhigt.
 
Jedenfalls Folgendes: Im Prinzip bin ich Widmanns Meinung. Jetzt wiederhole ich mich schon im zweiten Absatz. Aber genau das ist der Punkt. Sobald man das Wort “Lokaljournalismus” zusammen mit den Wörtern “Thesen” oder “Zukunft” liest, ahnt man: Jetzt kommt gleich wieder die Sache mit der kritischen Haltung, den Anzeigenkunden und der Unabhängigkeit.
 
Als Lokaljournalist sitzt man dann entweder da und fühlt sich nicht angesprochen, weil man denkt: Gut, im Prinzip ist das so. Aber bei uns hier in der Stadt läuft das alles ein bisschen anders.
 
Oder aber man würde gern etwas ändern und fragt sich, wie man das auf die Schnelle machen soll. Wenn man den Leuten im Schützenverein erzählt, wir machen jetzt ab morgen alles anders, kritisch und so, werden die das zur Kenntnis nehmen. Aber sobald man die Tür hinter sich zugeschlagen hat, lachen die sich tot.
 
Die ganze Kultur ist versaut. Das kann ein Einzelner nur sehr schwer ändern.
Zu Gebot eins und zwei: Verlautbarungen.
 
Ich vermute mal, dass es in den meisten Lokalredaktionen eher nicht so ist, dass man sich morgens fragt: Pressekonferenz. Gut, den ganz normalen Scheiß wie immer? Oder machen wir ein Porträt mit Reportage-Elementen?
 
Allein an dieser einen Veranstaltungsform Pressekonferenz hängt ein ganzer Anhänger voll mit Problemen.
 
Die Frage „Gehen wir da überhaupt hin?“ wird oft gar nicht gestellt, weil schon das Wort Pressekonferenz einen so offiziellen Charakter verbreitet, dass kein Redakteur sich traut, einfach mal zu sagen: Das sparen wir uns. Je kleiner das Dorf, desto größer das Problem.
 
Das verstehen natürlich auch Parteien und Vereine, und sobald sich dieses Wissen verbreitet hat, führt das dazu, dass freitagsmorgens oft zeitgleich fünf Pressekonferenzen stattfinden, weil alles am Samstag in die Zeitung soll, die Redaktion zu Pressekonferenzen garantiert jemanden schickt – und wenn sie jemanden geschickt hat, immer auch schreibt.
 
Nun aber zu dem Problem, das Widmann kritisiert. Üblich ist, dass nach der Pressekonferenz einfach all das aufgeschrieben wird, was die Offiziellen zu berichten hatten. Und wenn man nachher Artikel und Pressemitteilung nebeneinanderlegt, entsteht manchmal der Eindruck, dass der Journalist seine Aufgabe vor allem darin gesehen hat, den Text der Pressestelle möglichst kunstvoll zu paraphrasieren.
 
Ich habe das auch schon gemacht. Und während ich das tat, war mir bewusst, dass das nicht gut ist. Aber die Alternative in diesem Moment war nicht: Pressemitteilung wegwerfen und selbst eine fundierte Analyse schreiben. Dazu bräuchte man ja erst mal so etwas wie Ahnung. Und um sich die anzueignen, braucht man ein bisschen mehr Zeit als die viereinhalb Minuten, die für den Wikipedia-Artikel draufgehen.
 
Diese Zeit ist aber gar nicht eingeplant. Und hier käme jetzt meine Gegenthese: Das Meiste, was Joachim Widmann fordert, lässt sich so gar nicht umsetzen, wenn nicht mal irgendwer anfängt, in Lokalredaktionen das Gerücht zu kolportieren, dass auch Recherchezeit Arbeitszeit ist.
 
Tatsächlich ist es eher so,

Donnerstag, 8. Oktober 2015

Übrigens... dickes Lob von Funke

Poster vor der Funke-Zentrale
Foto: Karlheinz Stannies
Kein Funke Anstand! Die kleine Plakataktion des DJV NRW, über die ich hier kurz berichtet hatte (und vorher hier), ist einen Nachtrag wert. Sie wurde nicht nur von den Kolleginnen und Kollegen, sondern bis in die Chefränge der Funke-Mediengruppe hinein beachtet.

Die karikierten Herren Geschäftsführer Michael Wüller und Manfred Braun gingen sogar in ihrer üblichen Freitagsmail an die Mitarbeiter darauf ein. Wobei sie allerdings den eigentlichen Vorwurf in Sachen Sozialplan gar nicht erst erwähnten; sie betonten, man habe wohl inzwischen für "nahezu alle" Betroffenen am für Berlin geschlossenen Essener Zentraltisch eine Lösung gefunden. Was einerseits gut und andererseits ja wohl auch oder eher der Hartnäckigkeit der Betriebsräte zuzuschreiben ist (die in der Dankes-Aufzählung anscheinend in der Eile vergessen wurden). Ist doch ein kleiner Funke Anstand vorhanden? Das wird, soweit ich weiß, das nächste JOURNAL des DJV NRW fragen. Mit der Feststellung in der Unterzeile: Nach Monaten der Konfrontation zeige man sich "erstmals bemüht". In guten Zeugnissen wird zwar anders formuliert, aber immerhin.

D
ie Plakat-Aktion selbst empfanden Wüller und Braun übrigens als "Empörungsritual der siebziger Jahre". Nunja, damals wäre allerdings eine solche Empörung angesichts einer ganz anderen Wertschätzung von Mitarbeiterführung und Journalismus kaum nötig gewesen. Immerhin erklärten sie noch: "Die Zeichnung von uns beiden fanden wir aber gar nicht mal schlecht" - und übernahmen den entsprechenden Karikatur-Ausschnitt in die Freitagsmail. Wenn das mal kein Lob ist! Ich nehme noch Aufträge entgegen, meine Herren...
***
Karikatur: Karlheinz Stannies
Übrigens, Abteilung Selbstlob, fand ich meine Strich-Köpfe von Christian Nienhaus und Bodo Bombach damals auch ganz gut gelungen. Damals, nachdem sie aus angeblicher Not das Modell WAZ (journalistisch eigenständige Zeitungen nebeneinander) aushöhlten, Hunderte von Journalisten-Jobs abbauten, dutzendfach Redaktionen schlossen und aus der Westfälischen Rundschau eine Zombie-Zeitung machten. Später wurden die beiden vom Sockel gestoßen, natürlich nicht ohne viel Lobpreisung. Ich schmunzele heute noch über copy and paste - und werde die gelungenen Köpfe von Braun und Wüller womöglich auch nochmal brauchen...


Karikatur: Karlheinz Stannies

Samstag, 3. Oktober 2015

Putin und die Zeichner

Karikatur: Berndt A. Skott
Was macht Putin in Syrien? Assad helfen - da sind sich viele sicher. Auch Karikaturist Berndt A. Skott (oben), der jede Menge Faßbomben gegen die Opposition aufs Flugzeug lud. Sein Kollege Heiko Sakurai (unten) ahnte, wie Merkel & Co auf das Okay des russischen Parlaments für Militäreinsätze im Ausland reagiert haben müssen. Beide Karikaturen: proudly presented.


Karikatur: Heiko Sakurai

Übrigens...

... ist es ganz schön, sich selbst mal im Einsatz zu sehen: Der DJV NRW hat eine meiner Karikaturen zur Grundlage für ein Citylight-Poster gemacht. Ich habe die Zeichnung ein klein wenig angepasst (Geldsack hier, Daumen hoch da) - und jetzt prangt sie für ein paar Tage an zwei Standorten direkt vor dem Sitz der Funke-Mediengruppe. Kernvorwurf der Gewerkschaft: "Kein Funke Anstand", weil das Medienhaus einen ordentlichen Sozialplan verweigerte, siehe auch hier.


Foto: Karlheinz Stannies



Sonntag, 6. September 2015

Bloggertag und Umfrage: Journalismus im Netz

Irgendwie irritierend ist das: Da hockt man am Wochenende im Haus Busch in Hagen zusammen mit mehr als zwei Dutzend Bloggern, die überwiegend lokale Öffentlichkeit herstellen - von Dortmund (nordstadtblogger) und Lüdenscheid (unserluensche) über Coesfeld (coesfelder-nachrichten) bis Dormagen (Dormagen-News) und Winterberg (zoom). Beim dritten Bloggertag vom Journalisten-Zentrum Haus Busch und dem DJV NRW, der übrigens rundherum Spaß machte und eine Menge Einsichten zum Thema Geschäftsmodelle vermittelte, siehe auch hier bei Hannes. Und dann bittet David Schraven auf Ruhrbarone und bei sich auf seiner Recherche-Plattform correctiv zu einer Umfrage, was es denn so alles gibt in NRW an "gutem Online-Journalismus", jenseits der Medienhäuser, die ja in vielen Städten einen lokalen Lückenteppich hinterließen.

David Schraven war Mitgründer der Ruhrbarone, arbeitete
für taz und Süddeutsche, die Welt-Gruppe und die WAZ
Foto: correct!v
Auf den ersten Blick dachte ich: Das klingt nach Besorgnis - wieso? Da gibt's doch immer mehr! Aber: David fürchtet, dass die Blogger-Szene kleiner wird und viele Inhalte zu Facebook abwandern. Und wie er halt so ist: Er möchte es nicht ahnen, sondern wissen, soweit das per Umfrage möglich ist, wie es um die journalistischen Netzangebote in NRW bestellt sind. Deshalb bat er mich, ebenfalls für Verbreitung zu sorgen. Also: Hier ist Davids Fragebogen. Wer Lust hat, macht mit:










Montag, 24. August 2015

Kein Funke-Anstand

Karikatur: Karlheinz Stannies
Also, ich persönlich finde das Verhalten zunehmend unwürdig und unanständig: Die Besitzer und Manager der Essener Funke-Mediengruppe (früher WAZ-Gruppe) benehmen sich inzwischen nur noch wie 08/15-Arbeitgeber. Das Haus wird seelenlos.

Sie waren schon ziemlich skrupellos, als es um die Schließung Dutzender Lokalredaktionen und den Abbau ganzer Hundertschaften von redaktionellen Arbeitsplätzen ging. Und mit ihnen verschwanden: viel Vor-Ort-Erfahrung und Wissen, gewachsene Leserbindung, Präsenz beim Leser. Dabei ging auch viel vom Geist der jeweiligen Blätter verloren, unsäglicher Höhepunkt: die komplett fremdbefüllte Westfälische Rundschau wurde zum Zombie.

Der Niedergang des Hauses als verschworene Gemeinschaft, mit wohlgesonnenen Chefs und stolzen Belegschaften, fing mit den Geschäftsführern Hombach und Nienhaus an und hört, nach der Mehrheitsübernahme durch Funke-Tochter Petra Grotkamp, mit den Herren Braun und Wüller leider nicht auf. Im Gegenteil: es wird schlimmer.

Anfangs gab es wenigstens noch das Minimum an unternehmerischem Anstand, mit den Betriebsräten einen halbwegs akzeptablen Sozialplan für die vielen freigesetzten (oft langjährigen) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abzuschließen und für sie Auffanggesellschaften und Qualifizierungsmaßnahmen mitzufinanzieren. Schließlich waren es die "Gefeuerten", die - gemeinsam mit ihren Familien - für die oft sprunghaft hochtrabenden Ideen der Höchstbezahlten mit ihren Jobs büßen mussten.

Inzwischen, nach dem Zukauf einiger Springer-Produkte (für 920 Millionen Euro), hat die Funke-Gruppe anscheinend den letzten Rest Herz für ihre Belegschaften über die Rendite-Reling geworfen. Es geht aktuell um den Zentralen Newsdesk in Essen. Viele Jahre wurde er als zukunftsweisender Heilsbringer hochstilisiert. Ihm wurden Lokalredaktionen und hunderte Jobs geopfert. Nun wird dieser Desk geschlossen, das journalistische Zentrum der Gruppe löst sich erstmals vom Ruhrgebiet (der Wiege des ganzen Ladens) und wird in Berlin neu aus dem Boden gestampft. Hauptstadt-Mania.

Deutlicher kann Funke den fundamentalen Sinneswandel nicht machen: Lokalzeitungen, war da mal was? Wir sind jetzt bundesweite Spieler! Für Lokalkolorit hier sorgen sollen die bis zur Schmerzgrenze belasteten verbliebenen Vor-Ort-Redaktionen sowie die gerupften Titel-Redaktionen.

Von der Auflösung des Essener Content-Desks betroffen sind rund 100 Leute. Für 14 von ihnen gibt es bisher angeblich keine hausinterne Lösung. Vierzehn. Mittlerweile könnten es auch nur noch neun sein, wie man hört. Was mich als alten Betriebsrat fassungslos macht: Das große Medienhaus Funke, das eine Handvoll Leute locker (und nutzbringend!) im zu dünn besetzten Lokalen unterbringen könnte, ist sich nicht zu schade, mit juristischen Winkelzügen erpresserisch zu drohen: Da die Desk-Firma komplett geschlossen wird, dürfe man auch einfach kündigen - ohne nach Alternativen suchen zu müssen.

Funke, wie haste Dir verändert!

Die nach neun Gesprächsrunden entnervten Betriebsräte zogen die Reißleine. Sie erklärten: Die Sozialplan-Verhandlungen sind gescheitert, siehe
hier und hier, und riefen die Einigungsstelle an. In dieser Woche findet deren erste Sitzung statt.

Warum scheut Funke einen Sozialplan? Weil er wohl zum Maßstab für weitere Maßnahmen würde? Was ist noch geplant? Gutes kann es kaum sein: Der gleichzeitig verkündete umfangreiche
Struktur-Umbau, der u.a. den ganzen Sport und Online neu in eigene kleine Gesellschaften bündelt, landet fast ausnahmslos in der künftigen Tariflosigkeit. Früher undenkbar. Vor kurzem hatte sich Funke übrigens noch feiern lassen, weil Onliner in den Tarif sollten. Heute werden tariflose Firmen am Fließband gegründet.

Sicher, die Branche ist gewaltig im Umbruch. Aber anständig ist anders. Früher galt die damalige WAZ-Gruppe mal als zwar kniepiger, aber verlässlich fürsorglicher (und tariftreuer) Arbeitgeber. Eine große Familie. Diesen Ruf hat die Mediengruppe, allen Sonntagsreden der Vorturner zum Trotz, verspielt. Ein Jammer.


*
Ach ja: Von der künftigen Sport-GmbH hört man, dass für den jetzigen Content-Sportchef dort kein Platz sein soll. Hausintern wird das künftige Sport-Kompetenzzentrum des Hauses Funke schon so abgekürzt: Sport-Kotz.


 

Donnerstag, 20. August 2015

Womöglich braucht man Journalismus schon gar nicht mehr...

Vera Bunse
Wenn's um das Netz und Netz-Politik, aber auch um Medien und Online-Journalismus oder auch Datenschutz und Bürgerrechte geht, dann kennt "man" sie ganz einfach: Vera Bunse. Über 30 Jahre im Netz und selten ruhig - da bleibt das nicht aus. Einige Jahre bei Carta taten ein Übriges. Kurz: Wenn Vera was denkt, dann liest man das. In Ihrem Blog mit dem großen roten kleinen b schrieb sie jetzt etwas zum Zustand des Journalismus im Netz. Da geht's um Meinungen wie Efeu, Feigenblätter und Branchenfremdes. Sie meint: Alles wird noch schlimmer. Ich freue mich, dass ich Veras klugen Beitrag hier bringen darf, proudly presented:

Von VERA BUNSE

Die Schweizer Medienwoche hat eine
Serie gestartet, in der sie den Zustand des Journalimus im Netz beleuchten will. Den ersten Beitrag, auf den ich hier eingehe, hat Ronnie Grob geschrieben: Der Journalismus im Internet ist eine Enttäuschung. Denn damit Du diesen Text liest, brauchst Du so eine Schlagzeile.

Lieber Ronnie,
du bist ein bisschen unfair (wirklich nur ein bisschen): Es wird schon mit Journalismus Geld erlöst, es kommt dem Journalismus nur nicht zugute.
Dass Journalisten im Netz kaum Geld verdienen, liegt am Austausch von zwangsläufig verrückten Zeitungsleuten gegen kühle Controller. Natürlich muss und soll ein privatwirtschaftliches Unternehmen Geld verdienen, Zeitungen waren aber immer ein Zuschussgeschäft. Lange Zeit liefen sie mit Idealismus und Werbeeinnahmen. Das hat sich durch Digitalisierung und Neoliberalismus geändert: Eine Zeitung lässt sich nämlich ohne Weiteres auch mit Tierfutter, Partnerbörsen oder Immobilien finanzieren. Nur, dass der Bärenanteil des erlösten Geldes nicht mehr in Redaktionen investiert, sondern zur Finanzierung weiterer branchenfremder Unternehmungen ausgegeben wird oder auf den Konten von Aktionären verschwindet.

Die Monetarisierung gedruckter wie gepixelter Inhalte steht gebieterisch über allem. Die Produkte Nachricht und Information, überhaupt “der Journalismus” haben massiv an Bedeutung verloren. Sieh dir die Blogs an, auch die von Journalisten: Auch da gibt es kaum noch leidenschaftliche Leute, die etwas bewegen wollen; die größeren (deutschen) Blogs kannst du an zwei Händen abzählen. Wenn jemand fragt, ob du Blogger bist, kommt todsicher als nächste Frage: “Kannst du davon leben?” Freie werden mittlerweile dasselbe gefragt, und viele können es nicht. Es gibt nicht viele Möglichkeiten, damit umzugehen: auf Qualität pfeifen und den Massengeschmack befriedigen, ein privates Blog aufmachen und hoffen, dass es sich schon irgendwann irgendwie tragen wird,
oder aufhören und was Anderes machen.
Wir haben kürzlich im Freundeskreis diskutiert, ob wir heute noch ein Mehrautorenblog machen würden. Ja, klar, jederzeit – aber nur, wenn die Finanzierung für mindestens ein Jahr durch Brief und Siegel gesichert ist. Qualität wird also hier wie dort nur noch von Leuten hergestellt, die es sich leisten können: durch Festanstellung, Sponsoring, oder weil sie mit einem anderen Beruf ihre Miete reinkriegen. Der Rest krebst so vor sich hin.

Ich verstehe deshalb jeden, der in die PR geht. Er kann sein Schreibhobby weiter pflegen und mit seiner Arbeit die Familie ernähren. Wohl dem, der einen halbwegs sicheren Arbeitsplatz ergattern kann. Wenn die Edelfedern einst ausgestorben sind, wird der eigentliche Nachwuchs längst abgewandert sein und keine Lust mehr auf dann noch ausgedünntere Redaktionen haben, während etwa Coca-Cola ganze komfortable Abteilungen aus dem Boden stampft. Sicher gibt es junge Journalisten mit Köpfen voller guter Ideen. Aber es sind sehr viele, und bis auf wenige Ausnahmen werden sie ihrem gewählten Traumberuf nicht dauerhaft nachgehen können.

“Auswege” wie Facebook: Der Vertriebsweg ist diskutabel, Facebooks ethisches Verhalten ist es nicht. Und was passiert mit den Inhalten, wenn Zuckerberg wieder einmal einen seiner spontanen Einfälle hat? Ich möchte aktuelle Informationen auch nicht von FB beziehen, weil ich nie sicher wäre, ob die nicht gefärbt sind. Ja, sind manche andere auch, da traue ich mir aber eher ein Urteil zu.

Dass aus der Politik Hilfe kommt, halte ich für unwahrscheinlich. In ein paar Bundesländern wird vielleicht dem Journalismus die Gemeinnützigkeit zuerkannt, aber das sind Feigenblätter. So, wie es jetzt ist, ist es doch recht angenehm. Ich lese kaum noch journalistische Attacken gegen Politiker, aber immer öfter, der Politiker X habe im Blatt Y das und das gesagt, und dann wird das Blatt oder der Autor diskreditiert. Oder es wird gleich entlang der Regierungslinie gemeint – berichtet wird ja immer weniger. Wer wegen Unbotmäßigkeit aus den Berliner Zirkeln rausfliegt, hat Probleme. Das wird niemand riskieren, denn wer nicht zum Hintergrundgespräch geladen wird, erfährt nichts mehr, über das er schreiben könnte. So breiten sich die Meinungen wie Efeu aus, während Informationen hilfsweise durch eine Anklage wegen Landesverrats unterdrückt werden. Das ist nicht demokratisch, da aber die ehemalige vierte Gewalt auch sehen muss, wo sie bleibt, müssen wir uns wohl darauf einstellen. In der zerfaserten Öffentlichkeit interessiert sich ohnehin nur noch jeder für sich selbst und vielleicht für die neueste Health App. Womöglich braucht man Journalismus schon gar nicht mehr, und wir haben es nur noch nicht bemerkt.

Jetzt noch schnell eigene Erfahrungen. Anfragen für Texte, Redaktion oder Korrekturen gibt es, nicht viele, aber es würde reichen, wenn die Jobs bezahlt würden. Ich weiß, dass viele Kollegen das kennen und wie ich diese Jobs trotzdem machen, um im Gespräch zu bleiben. Ich rede hier übrigens auch von großen Verlagen, die durchaus bezahlen könnten, werde sie aber – wie es die Kollegen auch machen – nicht benennen, denn es könnte ja doch mal sein … Vorläufiges Ende vom Lied: Ab 1. September kriege ich Hartz IV, obwohl ich viel kann, fleißig, zuverlässig und gut vernetzt bin. Das geht anderen Freien genauso, und absehbar wird sich daran nichts ändern. Es wird sogar noch schlimmer werden. Aber daran sind nicht die mangelnden Erlöse schuld.


*
(Die Hervorhebungen sind von mir; alle Rechte am Text hat Vera Bunse.)


Donnerstag, 13. August 2015

Ein Mann, ein Klo

Karikatur: Karlheinz Stannies
Das Arsenal der Medienberater ist schier unerschöpflich. Früher hieß es als Vorgabe: Ein Mann, eine Seite. Heute sind die sündhaft teuer bezahlten Einflüsterer weiter. Hören wir mal beispielhaft rein:
***

„Es gibt doch immer nur einen Journalismus, den guten“, schmierte der Berater den Medienmanagern erst Honig ums Maul. Seine Augen wurden schmal: „Und wieso leisten Sie sich dann mehr als eine Redaktion?“ Zack, das saß. Die Manager zuckten. Sie alle hatten mehrere Zeitungen im Portfolio. Früher mal wegen der Anzeigengebiete zusammengekauft.

"Legen Sie alles zusammen“, beriet der Berater. Wozu viele Journalisten, wenn jeder doch dasselbe macht? „Behalten Sie nur die Besten!“ Eine kleine Zentralredaktion für alle Titel – das spart. „Und Sie können behaupten: Ja, wir werfen raus, aber die Qualität steigt. Viel bedeutet ja nicht Vielfalt. Weniger ist mehr.“

Plattitüden konnte er. Den großen Schritt behielt er natürlich für sich. Nur noch eine einzige Redaktion für alle Medienhäuser, bundesweit. Mit nur wenigen Managern. Das wäre der Rendite-Knaller. Er seufzte. Ja, er hatte noch Zukunftsvisionen.

Aber noch gab es Schecks, äh, Synergien, wohin man blickte. Zombie-Zeitungen, eine Redaktion für zwei, eine Zentralredaktion für viele. Tarifbindung aufgeben und dieselben Leute untertariflich oder frei beschäftigen. Es war doch so einfach. Die Medienbranche war auf einem guten Weg. Für Berater. Die wahren Gewinner der Digitalisierung. Und wenn er nur an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dachte – so viele Sender, so viele Wellen, so viele Redaktionen, so viele Gremien, herrlich!

Seine Fragen trieben die Verleger in die Enge. Wieso nutzen Sie vor Ort nicht die billigsten Freien und Leserreporter? Wieso tauschen Sie nicht noch mehr Lokalteile aus? Wieso legen Sie Print und Online nicht zusammen? Wieso trennen Sie nicht beide wieder? Egal was, Hauptsache: Sparmaßnahme.

Er lächelte. Von ihm könnte selbst Schäuble noch was lernen. Der Berater fuhr mit dem Finger über seine beeindruckenden Zahlenkolonnen. „Und wieso leisten sie sich 70 Klos für die Redaktion?“ Der noch unreife Jungmanager wollte erklären, dass die halt alle in anderen Städten... „Schnickschnack“, fuhr ihm die Berater über den Mund. „Statistik lügt nicht. Da muss man einen Laden nicht kennen. Ein Mann, ein Klo... das sprengt die Benchmark.“ Die Verleger unterschrieben.


Donnerstag, 23. Juli 2015

Ahmads Garten

Altenessen hat ein paar wirklich schöne Ecken. Aber der Essener Stadtteil bietet auch viele triste, ungepflegte Anblicke. Gegenüber vom Bahnhof bemüht sich Ahmad (55) seit Jahren, das pflastergraue Bild der Krablerstraße angenehmer zu machen: Er pflanzt Blumen rund um die Bäume, pflegt und gießt sie. Ganz ohne Auftrag und vom eigenen kargen Geld. "Mein Garten", sagt er, "und auch ein Garten für die Stadt". Und so grünt und blüht und sprießt es wunderschön, dort wo rund um den Straßenbaum noch kein Gehwegpflaster ist. Eine tolle bürgerschaftliche Aktion, ganz ohne den Wunsch nach Anerkennung oder Publizität. Ohne viel Aufhebens, einfach so. Für sich und alle anderen. Nachahmenswert.

Ahmads Garten: Eine von mehreren Mini-Oasen gegenüber vom
Bahnhof Altenessen. Foto: Karlheinz Stannies


Donnerstag, 16. Juli 2015

Aus zwei mach keins

Nein, in dieser Branche bleibt wohl kein Stein auf dem anderen. Und während sich die verbleibenden Redaktionen abmühen, fällt den Managern stets nur ein: sparen, kürzen, verkleinern - und zusammenlegen. Ein Beispiel.

Alle Proteste waren erfolglos: In Stuttgart sollen die beiden konkurrierenden Lokalzeitungen  - Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten, beide aus dem Reich der Südwestdeutschen Medienholding - fusioniern. Und dann getrennt weiter erscheinen, aber aus einer gemeinsamen Redaktion befüllt werden. Verleger Richard Rebmann behauptet: das geht. Nicht nur ich behaupte: das geht nicht. Unterschiedliche Geschmäcker aus einer Küche bedienen - das ging noch nie gut, jedenfalls nicht lange.

Karikatur: Karlheinz Stannies
Wieder geht also ein Stück Presse- und Meinungsvielfalt verloren, beklagt der DJV die nächsten Zombie-Zeitungen, z.B. hier und hier. Wieder sind es rein wirtschaftliche Gründe, die einen solchen Unsinn erzeugen.

Ein publizistischer Sinn kann, trotz aller Management-Sprechblasen, wohl kaum dahinter stecken. Zumal fast drei Dutzend Journalistinnen und Journalisten - also die Macher unterschiedlicher Inhalte und Meinungen - künftig angeblich überflüssig sind und gehen sollen. Möglichst freiwillig - siehe hier. Dafür wird, klopften sich die Chefs auf die Schulter, dann aber die Zahl der Programmierer und Mediengestalter aufgestockt. Das nennt man dann wohl Internet-Initiative.

Josef-Otto Freudenreich schrieb in der Kontext:Wochenzeitung, die gleich eine Aktion "David gegen Goliath" startete, was er vom "Neuen Stuttgarter Weg" (Verleger-Sprech) hält und was der eigentliche Grund für "das ganze Gedöns" ist - hier flockig nachlesbar.


Karikatur: Karlheinz Stannies
Übrigens passt zum Thema eine frühere (wohl leider dauerhaft gültige) Karikatur zur schwindenden Medienvielfalt. Sie entstand, als die NRW-Zeitungen der früheren WAZ- und heutigen Funke-Gruppe unter heftigstem Personalverlust zusammengemischt wurden und die Westfälische Rundschau zum Zombie wurde - eine Zeitung ohne eigene Redaktion.

Dienstag, 14. Juli 2015

Immer wieder Lieblingskarikaturen

Es gibt immer wieder Lieblingskarikaturen. Die saugt man geradezu auf. Da beißt man sich in den Bauch, dass man nicht selbst auf solche Ideen kommt. Ich muss mal ein paar davon vorstellen. Auch um für Karikaturen zu werben. Ihre Schöpfer sind die Künstler unter den Journalisten. Gezeichnete Kommentare erhellen oft mehr als so mancher Leitartikel.

Karikatur: Heiko Sakurai
Karikatur: Berndt A. Skott

In Sachen Griechenland kann man gerade erleben, wie Geldgeber dafür beschimpft werden, dass sie Sicherheiten einfordern. Zumindest so ab der dreihundertsten Milliarde. Karikaturist Heiko Sakurai zeichnete den Kampf der stolzen Griechen gegen die anmaßenden Retter - eine herrliche Idee.

Und dann führten die Griechen vor, wie man Demokratie macht: Bürger befragen, dabei vehement für OXI = nein werben, nur um am Tag danach das Gegenteil zu tun. Da kann einem das OXI schon mal in den eigenen Hut fallen, zeichnete Berndt A. Skott. Klasse! Skott überlegte auch, was den griechischen Regierungschef nach durchgemachten Europa-Nächten nun zu Hause erwartet. Volltreffer!

Karikatur: Berndt A. Skott

Wenn wir gerade bei Lieblingskarikaturen sind: Auf Twitter fand ich kürzlich zwei beeindruckende Zeichnungen. Eine grandiose Karikatur von Klaus Stuttmann, als es um die so genannte Tarifeinheit ging, also darum, dass zur Vereinfachung für die Arbeitgeber und die Großgewerkschaften künftig nur noch die Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern im Betrieb einen Tarif abschließen kann. Ein Gesetz, das höchstwahrscheinlich verfassungswidrig ist. Stuttmann ließ einen heuchlerischen Arbeitgeber erklären:

Karikatur: Klaus Stuttmann

Grandios, nicht wahr? Und geradezu genial fand ich die ebenfalls auf Twitter gefundene Zeichung von Nate Beeler, nachdem ein hohes Gericht in den USA dort die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubte. Da fielen sich die Justice und die Liberty in die Arme - super:

Karikatur: Nate Beeler

Mal ehrlich, da muss man doch Fan werden von gezeichnetem Journalismus. Oder?


Freitag, 26. Juni 2015

Queen Mutti

Die gefühlt ewige Queen ist zu Besuch - und das lässt auch Karikaturisten nicht kalt. Diese Künstler unter den Journalisten versuchen ja immer, Wahrheiten (oder zumindest Wahrscheinlichkeiten) mit dem Zeichenstift sichtbar zu machen. Jan Tomaschoff geht dabei seiner eigenen Spur nach, proudly presented:

Karikatur: Jan Tomaschoff

Und was Heiko Sakurai zur ewigen Mutti einfiel, wird genauso proudly presented:

Karikatur: Heiko Sakurai


Donnerstag, 25. Juni 2015

Juli beweist: Im Pott is schön!

Wenn es um das Ruhrgebiet geht, kommt keiner an Juli und ihrem Blog HeimatPOTTential vorbei. Von lecker bis locker, von hochinteressant bis einfach nur schön - da ist alles drin. Und vor allem ist da Juli drin, mit Herzblut und unerschütterlicher Überzeugung. Sie schreibt, knipst, filmt und hüpft gegen die ganzen Klischee vom Pott. Sie sagt: "Ruhrpott ist ein Gefühl - und zwar ein gutes." Und bietet jedem an: "Du kannst das ganze Universum haben, aber das Ruhrgebiet kriege ich." Anderthalb Jahre drehte die junge Dame kreuz und quer im Revier Video-Schnipsel - und fügte sie jetzt zu einem Film gegen das miese Image zusammen: "...ein Gegenbeweisvideo ,und ich würde mich RIESIG freuen, wenn Ihr es über Eure Kanäle teilt, um mit Blick auf genau diese Birnis Unwissenden ein anständiges "Im Pott is schön!"-Zeichen zu setzen. HA!" Alles klar, Juli, da teile ich doch mit:



Übrigens hat Juli vor ein paar Jahren den Klub der pottschen Bloggerinnen gegründet - und ich durfte sie dazu ausquetschen: Kennen Sie Blogowski?

Dienstag, 23. Juni 2015

Muschi statt Mutti - Sommerszenen in Medialand

„Instant articles“ sind ein Segen. Julian hat schon wieder acht Sekunden Lebenszeit gespart, weil Facebook jetzt Artikel nicht mehr zu den lahmen Webseiten der Medienhäuser verlinkt, sondern gleich selbst anzeigt. Acht Sekunden! „Das läppert sich“, meint auch Katharina.

Endlich! Springer feiert den Pulitzer-Preis. Für das Aufklärer-Stück „Zehn Kampagnen für ein Halleluja“. Es hatte sich gelohnt, die Huffington Post zu kaufen.

Der Freie spricht mit dem Gewerkschaftsanwalt: „Die meisten Klicks für meine Texte kommen jetzt über Facebook. Da müssten die Verleger doch mehr Honorar zahlen, oder?“ Beide weinen lange in den Wein.

Google schenkt Verlagen 150 Millionen Euro, zur Förderung digitaler Nachrichten: "Wir werden Hand in Hand arbeiten". Heißt übersetzt: Wir hatten noch was in der Portokasse, und die verzweifelten Burschen fingen an zu nerven.

Der Amazon-Chef schickt den Lesern der von ihm gekauften Washington Post jetzt nicht mehr nur maßgeschneiderte Anzeigen in die App, sondern auch zu ihren Wünschen passende Texte. Ja, Service wird groß geschrieben.

Facebook ändert die Algorithmen für die schnell löslichen Artikel. Katzen-Inhalt hat ja auch wirklich viel mehr Klicks als Polit-Texte. Muschi statt Mutti. Die Medienhäuser ändern ihre Zulieferung. Schließlich geht es ums Überleben.

Rückschlag für Springers Döpfner. Er gehört laut Huff-Post nicht mehr zu den zehn größten Medienbossen auf Erden. Für die neue Welt-Nummer eins ändert man in Rio gerade den Namen des felsigen Wahrzeichens – in Zuckerberg.

Kaum haben sich die Verleger in „instant articles“ verliebt („Keine Mehrkosten, nur Zusatzgewinne, hurra“), da kürzt Facebook plötzlich ihre Anzeigenerlöse. Empörte Manager: „Zusagen nicht einhalten, einfach immer weniger zahlen – die behandeln uns ja wie wir unsere Leute.“

Julian nimmt sich, mit dem Smartphone in der Hand, richtig Zeit für einen Gang zum Klo. Mit den zehn Artikeln zum Frühstück hatte er dank Facebook ja achtzig Sekunden gespart.


Donnerstag, 16. April 2015

Klopp geht: Fahrt ihn um den Borsigplatz!

Kein Langeweiler, stets engagiert: Jürgen Klopp
Karikatur: Heiko Sakurai
Klar, es ist nur Fußball. Und trotzdem lässt es einen nicht unberührt, wenn so einer wie Jürgen Klopp die Dortmunder Borussia nach sieben Jahren, noch mitten im Vertrag, verlässt. Sein emotionaler Spaßfußball hat, unabhängig von den gewonnenen Titeln, Geschichte geschrieben. Jedes Spiel ein Spektakel, ein Erlebnis, das Ergebnis fast zweitrangig - wann durfte man sowas schon mal so lange genießen in der Show-Kick-Industrie? Vor allem aber: Wohl selten passte ein Trainer derart perfekt zu einer Mannschaft, zum Verein, zu den Fans, zu einer ganzen Region.

Das reißt eine Lücke. Deshalb ist es so schade, dass er geht. Wenn ich auch die Gründe nachvollziehen kann. Nach einiger Zeit verschwindet so mancher Zauber halt.

Karikatur: Heiko Sakurai
In der Pressekonferenz hatte Jürgen Klopp noch einen letzten sehnlichen Wunsch geäußert: Er würde gern noch einmal mit gutem Grund auf dem Lastwagen um den Borsigplatz gefahren werden. Sprich: im Halbfinale die Bayern schlagen, den DFB-Pokal dann nach Dortmund holen und die verkorkste Saison feiernd abhaken. Ich denke: egal, wie es kommt - fahrt den Klopp zum Saisonende um den Borsigplatz! Tausende werden sagen wollen: Tschüß Kloppo. War schön, datte da wars.

Über Karikaturen, Texte und Fotos hat der BVB, hat Klopp auch auf mein Blog Einfluss gehabt. Ein paar von den Zeichnungen darf man deshalb ruhig nochmal bringen.

Manchmal waren auch die Schalker beeindruckt
Karikatur: Heiko Sakurai
Übrigens, als Journalist registriert man sowas: Die Klopp-hört-auf-Meldung kam nicht von den (von vielen ja wegen ihrer Netzkünste für äußerst clever gehaltenen) Platzhirschen der ausgedünnten Dortmunder Medien-Landschaft, den Ruhr Nachrichten. Sondern vom Boulevard. Dabei arbeiten Lensings Leute doch seit Jahr und Tag äußerst eng mit dem BVB zusammen. Man sieht, vermeintliche Nähe schreibt nicht immer die besten Geschichten, ist kein Garant für exklusive Meldungen.

Nachtrag: Diese Kooperation zwischen Verlag und Verein war auch der Grund dafür, dass sich ausgerechnet der BVB damals nicht am Protest gegen die plötzliche Schließung der Westfälischen Rundschau-Redaktionen und den Abbau von Meinungsvielfalt im Dortmunder Raum beteiligte - eine der wenigen Fehler der ansonsten sympathischen Vereinsführung.



Montag, 13. April 2015

Netzwerken lernen im Ehrenamt

Timo Stoppacher ist Freier
Journalist, Sachbuchautor
und Dozent
Timo Stoppacher ist mit mir seit einiger Zeit im Landesvorstand des DJV NRW. In seinem gemeinsam mit Bettina Blaß geführten Blog Fit für Journalismus beschrieb Timo jetzt die Macht des Netzwerkens, vor allem für Freie Journalisten. Und dass seine Mitgliedschaft im DJV dabei durchaus nützlich war. Natürlich habe ich Timo sofort gefragt, ob ich den Text übernehmen darf. Ich darf. Hier isser, proudly presented:

Von TIMO STOPPACHER

Als ich Journalismus studiert habe (2003 bis 2007), war die Medienkrise schon im Gange. Besser geworden ist es seitdem nicht, weshalb ich das Wort Krise nicht passend finde. Denn Krise bedeutet, dass es irgendwann wieder besser wird. Ich weiß nicht, ob es jemals wieder besser werden wird. Stattdessen ist schon jetzt vieles anders geworden. Statt Krise finde ich Begriffe wie Wandel oder Transformation sinnvoller.

In meinem Studium kam die Krise nicht vor. Oder man könnte sagen, die Wirklichkeit kam nicht vor. Wie der Arbeitsmarkt aussah, darüber haben wir nicht gesprochen. Stattdessen haben wir unter künstlichen Bedingungen Nachrichten gemacht, viele nette Texte geschrieben und uns in unseren Diplomarbeiten Themen gewidmet, die irgendwie wissenschaftlich waren. Themen wie Selbstständigkeit, Selbstvermarktung oder Netzwerken zur Jobsuche waren nicht auf der Tagesordnung.
 
Fast zehn Jahre weiter hat sich daran kaum etwas geändert. Weder an meiner Alma Mater, noch an vielen andere Ausbildungsstätten. Und so werden weiterhin jedes Jahr viele Journalisten „produziert“, die zwar ihr Handwerk beherrschen, aber mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben werden, auf die sie keiner vorbereitet hat. Ich gebe mein Bestes, junge Menschen auf die Realität vorzubereiten. Ich unterrichte an zwei Fachhochschulen und erzähle jedem Studenten, egal ob er es wissen will oder nicht, dass seine Chancen auf eine Festanstellung ziemlich gering sind. Irgendjemand muss es ihnen sagen.
 
Als eine Kölner Schülerin neulich twitterte, dass sie

Samstag, 4. April 2015

Wir retten den Journalismus: Widerstand ist zwecklos

Die Rettung naht
Karikatur: Karlheinz Stannies
Im Medien-Camp war mal wieder der Hölle los. Entkommen aus dem Rettet-den-Journalismus-Hamsterrad konnte nur, wer laut rief: Holt mich hier raus, ich bin gar kein Journalist mehr. Aber wer von uns bringt sowas über die Lippen?

Seit kurzem gab es wieder diese Livestreams, bei denen man kleine eklige Aufgaben erfüllen musste. Ich bin mal eben die Zukunft des Journalismus und so. Gerade lief der Kampf der Krautreporter gegen die Prinzessinnenreporter. Die Mädels machten sich über die Krauter nur lustig: „Wir planen ein Abo nur für Kommentare – da muss man die Artikel nicht lesen. Hach, wir sind schon ganz aus dem Schlösschen.“

Mir kam das ganze Netz-Camp vor wie eine riesige Dschungel-Spielwiese, auf der alle mal was ausprobieren. Schwester Inge nahm mich zur Seite, flüsterte: „Die meisten ahnen gar nicht, dass dies hier eigentlich ein Medien-Hospital ist. Wir gaukeln allen den Live-Auftritt nur vor. Aber pssst.“

Gellende Schreie zerrissen die Stille: „Hilfe, die Handys sind weg!“ Das waren die MoJos, mobile Journalisten, bei der Entwöhnung. Nebenan stöberten Journalismus-Retter unbeirrt durch gewaltige Big-Data-Haufen. Irgendeiner rief immer mal: „Hey, Crowd, ich habe eine Idee. Fundiere mich.“ Jedes Mal, wenn eine dieser scheuen Stiftungen auftauchte, sprangen alle hinterher: „Wir überleben, wenn wir steuerlich absetzbar sind.“ Enthemmt grinsende Medienmanager hüpften um uns herum. „Vorsicht“, warnte Schwester Inge, „die wollen unbedingt betriebsbedingt sündigen.“

Plötzlich standen Karsten und Franzi vor mir: „Wir müssen an die Zukunft denken, deshalb haben wir jetzt das Besser Online Reporter Kollektiv gegründet. Kurz: BORK.“ Und ihr Schlachtruf wäre, legte Franzi mit nachgeahmter Star-Trek-Stimme nach: „Wir sind BORK. Ergebt Euch, Ihr Offliner. Ihr werdet alle sozialmedialisiert. Widerstand ist zwecklos.“

Ihre Augen flackerten. Schwester Inge lächelte nachsichtig, gab uns allen die Medikamente und tätschelte unsere Köpfe. Ich wollte gerade den erlösenden Satz rufen, da begann das Mittel zu wirken.

Mittwoch, 4. März 2015

Journalisten fordern: Tarifeinheit ablehnen

Karikatur: Karlheinz Stannies
Der Deutsche Journalisten-Verband hat am Vortag der Ersten Lesung an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags appelliert, das von der Großen Koalition geplante Gesetz zur Tarifeinheit abzulehnen. „Das Gesetz ist ein Angriff auf die Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften und verfassungsrechtlich in hohem Maße fragwürdig“, sagte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken.

Erst vor wenigen Tagen hat ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags die Bedenken von Verfassungsrechtlern bestätigt. „Alle Abgeordneten, die ja zu diesem Entwurf sagen, wissen durch die hauseigenen Experten, dass sie einem Verfassungsbruch zustimmen“, warnte Konken. Er kündigte für den DJV den Gang nach Karlsruhe an, falls das Parlament "diesen Rechtsbruch per Gesetz" beschließt. In einem Bündnis für Koalitionsfreiheit sind auch der Marburger Bund, die Vereinigung Cockpit und der Deutsche Beamtenbund.

Worum es beim Gesetz zur Tarifeinheit geht, hatte ich bereits hierhier und hier beschrieben. Kleine schlagkräftige Berufsgewerkschaften werden ausgehebelt - Motto: The bigger takes it all.


Karikatur: Karlheinz Stannies
Wenn nur noch die jeweils größte Gewerkschaft im Betrieb einen Tarifvertrag für alle abschließen darf - wozu bräuchte man dann dort noch kleine? Abgesehen davon, dass Arbeitgeber durch Betriebszuschnitt steuern könnten, mit welcher Gewerkschaft sie verhandeln. Außerdem: Hier mal zuständig, da mal nicht - wie soll man so zu Flächentarifen kommen? Kurz: Auch die größte Journalisten-Gewerkschaft, der DJV, würde "enteiert".

Für den Bayerischen Journalisten-Verband hatte ich mal die Zeichnung links zur Einheitswelt von Horst Seehofer gemacht.
 

Samstag, 28. Februar 2015

Derby-Sieger: der BVB und der Lokführer

Was soll man nach dem 146. Revierderby schreiben? Hoch überlegen, absolut verdient, noch mindestens ein oder zwei Tore zu niedrig: Die über eine Stunde lang jede Menge Torchancen versiebenden Borussen hatten die lustlos mauernden Schalker heute zwar sowas von im Griff. Aber erst am Schluss wurde aus Bo- dann endlich auch noch Tor-ussia - dank Batman und Robin und dem ersten Miki-Treffer, und Schalke war abgemeiert.

Foto: Karlheinz Stannies
Derbysieg!  Und eine Punkte-Aufholjagd mit langsam auch wieder schönen Spielen - das versöhnt viele Fans.

Für mich war auch ein anderer heute Derby-Sieger: der Lokführer vom Fußball-Sonderzug. Mit coolen Sprüchen traf er den Nerv der Fahrgäste. Beispiel gefällig? Auf der Hinfahrt musste er einen Stau vor dem Bahnhof Signal-Iduna-Park bekanntgeben. Um sich kurz danach wieder zu melden: "Und ja, mir geht das auch auf den Sack." Später beim Einrollen kam dann: "Ausstieg in Fahrtrichtung rechts. Das macht Sinn. Schließlich liegt da auch der Bahnsteig."

Auf der Rückfahrt hatte der Mann Verständnis für Raucher wie mich. Vor einem Halt kam die Lokführer-Info: "Hier haben wir drei Minuten Aufenthalt. Wer noch nicht im Zug geraucht hat, kann das jetzt hier schnell tun." Und als der Zug ohne Halt durch die verbotene Stadt rollte: "Das war Gelsenkirchen. Wenn ihr nochmal winken wollt..."

Ich sage nichts mehr gegen Lokführer. Der Mann ist auch ein Derby-Held.

Donnerstag, 26. Februar 2015

Danke, FIFA

Fußball-WM im Advent, Public Viewing im Schneetreiben auf dem Weihnachtsmarkt, Glühwein zur Hitzeschlacht. Die Entscheidung der skandalumwitterten FIFA, die WM 2022 im stinkreichen Wüsten-Staat Katar und zwar womöglich in den vier Wochen vor Heiligabend durchzuführen, bringt nicht nur Spielpläne völlig durcheinander - sie inspirierte auch Karikaturist Heiko Sakurai zu dieser Karikatur - proudly presented:

Karikatur: Heiko Sakurai

Montag, 23. Februar 2015

Journalismus: Die Zukunft ist besser als man denkt

Puh, da müssen wir nun durch: Mein alter Kumpel David Schraven, inzwischen Chef des von der Brost-Stiftung anschubfinanzierten Recherchebüros CORRECT!V und aktuell erneut Comic-Autor ("Weiße Wölfe", über die Dortmunder Neonazi-Szene, siehe hier), schreibt über die Zukunft des investigativen Journalismus. Sein Fazit am Ende (journalistische Bildung für alle, Gemeinnützigkeit) ist kurz - sein Schreibe- und gleich auch Ihr Lese-Weg dahin ist (und war) lang. Also, setzen Sie Kaffee auf, legen sich Zigaretten oder ein paar Kekse zurecht, die Beine hoch. Und genießen Sie Davids Diskussionsbeitrag zum Überleben der Branche, proudly presented:


David Schraven war Mitgründer der Ruhrbarone, arbeitete
für taz und Süddeutsche, die Welt-Gruppe und die WAZ
Foto: correct!v
Von DAVID SCHRAVEN

Wenn wir aufhören zu jammern, können wir die Weichen im Journalismus so stellen, dass sich vieles wieder zum Guten entwickelt. Geht nur raus aus dem Elfenbeinturm und ermöglicht endlich den gemeinnützigen Journalismus.

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Kurz nachdem ich bei der Funke-Mediengruppe Mitte vergangenen Jahres aufgehört hatte, bekam ich eine Email von meinem alten Kollegen Karlheinz Stannies. Wir kennen uns seit Jahren aus der Ruhrgebietsberichterstattung, und ich mag Karlheinz gerne. Er bat mich, etwas über die Zukunft des investigativen Journalismus für seinen Blog zu schreiben. Schließlich war ich ja bis dahin Leiter der Recherche-Redaktion der Funke-Gruppe. Ich hab Karlheinz gesagt, dass ich ihm gerne etwas schreibe, dass ich aber noch Zeit brauche.

Ich beschäftige mich in der Tat schon lange mit dem Thema. Weil es mich interessiert. Jeden Tag. Auch in meiner neuen Funktion als Leiter des Recherchebüros CORRECT!V. Ich habe Monate für eine Antwort gebraucht, viel länger als gedacht - eigentlich wollte ich Karlheinz den Beitrag für seinen Blog schon im Oktober senden. Ich habe so lange gebraucht, weil es keine einfache Antwort gibt. Auf diese Frage: Was ist die Zukunft des investigativen Journalismus?

Jetzt habe ich ein paar Antworten, die ich endlich aufschreiben und damit mein Versprechen einlösen kann. Die Antworten sind allerdings unbequem.

Neue Realitäten

Die Süddeutsche Zeitung hatte am Samstag, 14. Februar 2015, genau 3 Seiten mit Stellenanzeigen. In Worten: drei. Der Umsatz von Buzzfeed erreichte im vergangenen Jahr über 100 Millionen US-Dollar, erzielt vor allem mit Angeboten in sozialen Netzwerken.

Beide willkürlich ausgesuchten Zahlen haben nichts mit irgendwelchem Verlegerversagen zu tun. Sie haben auch nichts mit Arbeitsbedingungen in Redaktionen zu tun. Nichts mit Dienstzeiten, nichts mit Redakteur-Pro-Seiten-Schlüssel oder einer Ausrichtung der Mantel-Berichterstattung ins lokale oder internationale.

Diese beiden Zahlen haben etwas mit neuen Realitäten zu tun, die man einfach akzeptieren muss. Die Achtziger Jahre sind vorbei. Das Internet hat Marktfunktionen übernommen, die früher Verlage innehatten. Autos werden über das Netz verkauft und Jobs vermittelt. Die traditionellen Verlage und Medien verlieren rasant an Einkommen. Gleichzeitig steigt die wirtschaftliche Bedeutung der sozialen Medien. Diese Bewegung ist unumkehrbar und hat dramatische Auswirkungen auf alle Bereiche des Journalismus.

Sparprogramme

Während in sozialen Medien mit neuen Erzähltechniken experimentiert wird, um die Reichweiten weiter dynamisch zu erhöhen, müssen sich traditionelle Verlage und Sender auf schrumpfende Anzeigenmärkte und überalterte Kundenstämme einrichten. Auf der einen Seite werden Jobs geschaffen, um ein sehr junges Publikum gezielt anzusprechen, und so ganz neue Berufsbilder entwickelt. Auf der anderen Seite folgen auf Sparprogramme immer neue Entlassungswellen und schließlich sterben die Zeitungen und Programme. Fragt einen beliebigen Jugendlichen im Alter zwischen 17 und 24 Jahren, ob er Zeitung liest oder die Tagesschau um 20 Uhr sieht. Es wird schwer werden, jemanden zu finden, der "Ja" sagt.

Nur damit wir uns richtig verstehen: Noch können der öffentlich-rechtliche Rundfunk und große Verlagshäuser auch mit geringeren Einnahmen weiter ihre Aufgaben erfüllen. Noch gibt es genügend wirtschaftlich erfolgreiche Regional- und auch Lokalzeitungen. Aber vor allem in einnahmeschwachen und dünn besiedelten Regionen müssen sich immer mehr traditionelle Medien aus ihren angestammten Verbreitungsgebieten zurückziehen. Es entstehen flächendeckend Lücken in der kritischen Öffentlichkeit.

Wächterfunktion in Gefahr

Es gibt bereits ganze Landstriche, in denen keine systematische Aufklärung mehr über die Geschäfte in Rathäusern und Parteizentralen stattfindet. Die sich zurückziehenden Großverlage und der öffentlich-rechtliche Rundfunk können die Lücken nur in Einzelfällen füllen, wenn Reporter aus Regionalredaktionen wie Helikopter zur Berichterstattung in Dörfer einfliegen. Neue Medien aus sozialen Netzwerken können wegen ihrer geringen Reichweiten noch nicht einmal diese Notaufgaben wahrnehmen. Sie können bestenfalls punktuell berichten. Die Wächterfunktion der vierten Gewalt ist vor allem vor Ort in Gefahr.

Aufklärung verliert Talente

In der bedrohlichen Situation für lokale, regionale und nationale Medien zeichnet sich eine zweite Herausforderung ab: