Samstag, 28. Februar 2015

Derby-Sieger: der BVB und der Lokführer

Was soll man nach dem 146. Revierderby schreiben? Hoch überlegen, absolut verdient, noch mindestens ein oder zwei Tore zu niedrig: Die über eine Stunde lang jede Menge Torchancen versiebenden Borussen hatten die lustlos mauernden Schalker heute zwar sowas von im Griff. Aber erst am Schluss wurde aus Bo- dann endlich auch noch Tor-ussia - dank Batman und Robin und dem ersten Miki-Treffer, und Schalke war abgemeiert.

Foto: Karlheinz Stannies
Derbysieg!  Und eine Punkte-Aufholjagd mit langsam auch wieder schönen Spielen - das versöhnt viele Fans.

Für mich war auch ein anderer heute Derby-Sieger: der Lokführer vom Fußball-Sonderzug. Mit coolen Sprüchen traf er den Nerv der Fahrgäste. Beispiel gefällig? Auf der Hinfahrt musste er einen Stau vor dem Bahnhof Signal-Iduna-Park bekanntgeben. Um sich kurz danach wieder zu melden: "Und ja, mir geht das auch auf den Sack." Später beim Einrollen kam dann: "Ausstieg in Fahrtrichtung rechts. Das macht Sinn. Schließlich liegt da auch der Bahnsteig."

Auf der Rückfahrt hatte der Mann Verständnis für Raucher wie mich. Vor einem Halt kam die Lokführer-Info: "Hier haben wir drei Minuten Aufenthalt. Wer noch nicht im Zug geraucht hat, kann das jetzt hier schnell tun." Und als der Zug ohne Halt durch die verbotene Stadt rollte: "Das war Gelsenkirchen. Wenn ihr nochmal winken wollt..."

Ich sage nichts mehr gegen Lokführer. Der Mann ist auch ein Derby-Held.

Donnerstag, 26. Februar 2015

Danke, FIFA

Fußball-WM im Advent, Public Viewing im Schneetreiben auf dem Weihnachtsmarkt, Glühwein zur Hitzeschlacht. Die Entscheidung der skandalumwitterten FIFA, die WM 2022 im stinkreichen Wüsten-Staat Katar und zwar womöglich in den vier Wochen vor Heiligabend durchzuführen, bringt nicht nur Spielpläne völlig durcheinander - sie inspirierte auch Karikaturist Heiko Sakurai zu dieser Karikatur - proudly presented:

Karikatur: Heiko Sakurai

Montag, 23. Februar 2015

Journalismus: Die Zukunft ist besser als man denkt

Puh, da müssen wir nun durch: Mein alter Kumpel David Schraven, inzwischen Chef des von der Brost-Stiftung anschubfinanzierten Recherchebüros CORRECT!V und aktuell erneut Comic-Autor ("Weiße Wölfe", über die Dortmunder Neonazi-Szene, siehe hier), schreibt über die Zukunft des investigativen Journalismus. Sein Fazit am Ende (journalistische Bildung für alle, Gemeinnützigkeit) ist kurz - sein Schreibe- und gleich auch Ihr Lese-Weg dahin ist (und war) lang. Also, setzen Sie Kaffee auf, legen sich Zigaretten oder ein paar Kekse zurecht, die Beine hoch. Und genießen Sie Davids Diskussionsbeitrag zum Überleben der Branche, proudly presented:


David Schraven war Mitgründer der Ruhrbarone, arbeitete
für taz und Süddeutsche, die Welt-Gruppe und die WAZ
Foto: correct!v
Von DAVID SCHRAVEN

Wenn wir aufhören zu jammern, können wir die Weichen im Journalismus so stellen, dass sich vieles wieder zum Guten entwickelt. Geht nur raus aus dem Elfenbeinturm und ermöglicht endlich den gemeinnützigen Journalismus.

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Kurz nachdem ich bei der Funke-Mediengruppe Mitte vergangenen Jahres aufgehört hatte, bekam ich eine Email von meinem alten Kollegen Karlheinz Stannies. Wir kennen uns seit Jahren aus der Ruhrgebietsberichterstattung, und ich mag Karlheinz gerne. Er bat mich, etwas über die Zukunft des investigativen Journalismus für seinen Blog zu schreiben. Schließlich war ich ja bis dahin Leiter der Recherche-Redaktion der Funke-Gruppe. Ich hab Karlheinz gesagt, dass ich ihm gerne etwas schreibe, dass ich aber noch Zeit brauche.

Ich beschäftige mich in der Tat schon lange mit dem Thema. Weil es mich interessiert. Jeden Tag. Auch in meiner neuen Funktion als Leiter des Recherchebüros CORRECT!V. Ich habe Monate für eine Antwort gebraucht, viel länger als gedacht - eigentlich wollte ich Karlheinz den Beitrag für seinen Blog schon im Oktober senden. Ich habe so lange gebraucht, weil es keine einfache Antwort gibt. Auf diese Frage: Was ist die Zukunft des investigativen Journalismus?

Jetzt habe ich ein paar Antworten, die ich endlich aufschreiben und damit mein Versprechen einlösen kann. Die Antworten sind allerdings unbequem.

Neue Realitäten

Die Süddeutsche Zeitung hatte am Samstag, 14. Februar 2015, genau 3 Seiten mit Stellenanzeigen. In Worten: drei. Der Umsatz von Buzzfeed erreichte im vergangenen Jahr über 100 Millionen US-Dollar, erzielt vor allem mit Angeboten in sozialen Netzwerken.

Beide willkürlich ausgesuchten Zahlen haben nichts mit irgendwelchem Verlegerversagen zu tun. Sie haben auch nichts mit Arbeitsbedingungen in Redaktionen zu tun. Nichts mit Dienstzeiten, nichts mit Redakteur-Pro-Seiten-Schlüssel oder einer Ausrichtung der Mantel-Berichterstattung ins lokale oder internationale.

Diese beiden Zahlen haben etwas mit neuen Realitäten zu tun, die man einfach akzeptieren muss. Die Achtziger Jahre sind vorbei. Das Internet hat Marktfunktionen übernommen, die früher Verlage innehatten. Autos werden über das Netz verkauft und Jobs vermittelt. Die traditionellen Verlage und Medien verlieren rasant an Einkommen. Gleichzeitig steigt die wirtschaftliche Bedeutung der sozialen Medien. Diese Bewegung ist unumkehrbar und hat dramatische Auswirkungen auf alle Bereiche des Journalismus.

Sparprogramme

Während in sozialen Medien mit neuen Erzähltechniken experimentiert wird, um die Reichweiten weiter dynamisch zu erhöhen, müssen sich traditionelle Verlage und Sender auf schrumpfende Anzeigenmärkte und überalterte Kundenstämme einrichten. Auf der einen Seite werden Jobs geschaffen, um ein sehr junges Publikum gezielt anzusprechen, und so ganz neue Berufsbilder entwickelt. Auf der anderen Seite folgen auf Sparprogramme immer neue Entlassungswellen und schließlich sterben die Zeitungen und Programme. Fragt einen beliebigen Jugendlichen im Alter zwischen 17 und 24 Jahren, ob er Zeitung liest oder die Tagesschau um 20 Uhr sieht. Es wird schwer werden, jemanden zu finden, der "Ja" sagt.

Nur damit wir uns richtig verstehen: Noch können der öffentlich-rechtliche Rundfunk und große Verlagshäuser auch mit geringeren Einnahmen weiter ihre Aufgaben erfüllen. Noch gibt es genügend wirtschaftlich erfolgreiche Regional- und auch Lokalzeitungen. Aber vor allem in einnahmeschwachen und dünn besiedelten Regionen müssen sich immer mehr traditionelle Medien aus ihren angestammten Verbreitungsgebieten zurückziehen. Es entstehen flächendeckend Lücken in der kritischen Öffentlichkeit.

Wächterfunktion in Gefahr

Es gibt bereits ganze Landstriche, in denen keine systematische Aufklärung mehr über die Geschäfte in Rathäusern und Parteizentralen stattfindet. Die sich zurückziehenden Großverlage und der öffentlich-rechtliche Rundfunk können die Lücken nur in Einzelfällen füllen, wenn Reporter aus Regionalredaktionen wie Helikopter zur Berichterstattung in Dörfer einfliegen. Neue Medien aus sozialen Netzwerken können wegen ihrer geringen Reichweiten noch nicht einmal diese Notaufgaben wahrnehmen. Sie können bestenfalls punktuell berichten. Die Wächterfunktion der vierten Gewalt ist vor allem vor Ort in Gefahr.

Aufklärung verliert Talente

In der bedrohlichen Situation für lokale, regionale und nationale Medien zeichnet sich eine zweite Herausforderung ab:

Sonntag, 15. Februar 2015

Wann ist es so weit?

... fragt der Kölner Karikaturist Heiko Sakurai - nach der Absage des Braunschweiger Karnevalszuges, den tödlichen Schüssen in Kopenhagen, dem Massaker in Paris und dem Verzicht der Kölner Narren auf einen Charlie-Hebdo-Wagen... Seine gezeichnete Wann-Frage - proudly presented:

Karikatur: Heiko Sakurai


Donnerstag, 12. Februar 2015

Meinungsfreiheit

Karikatur: Karlheinz Stannies

Harte Zeiten für Journalistinnen und Journalisten. Von Lügenpresse bis Tarifflucht oder Dumpinghonorar - auf allen Ebenen stehen Medienleute mit dem Rücken zum (Rot-) Stift, ähm, zur Wand. Manche Leser, Hörer und Zuschauer trauen ihnen nicht mehr, weil die Medien angeblich zentralgesteuert sind und nicht das berichten, was jeder einzelne als Wahrheit lesen, sehen oder hören möchte. In vielen Ländern der Welt werden Journalistinnen und Journalisten eingeschüchtert, bedroht, verhaftet oder sogar ermordet. Und im eigenen Medienhaus, da lassen die eigenen Arbeitgeber ihre Leute im Stich - wegen der Rendite. Wie gesagt, harte Zeiten, zumal für eine Branche, die ohnehin im totalen Umbruch ist.
Lesen Sie dazu auch die Glosse unten.


Mittwoch, 11. Februar 2015

Die Lizenz zum Lügen

„Betriebsratsverseucht“, sagte Paul. „Das war doch auch mal Unwort des Jahres. Stammt aus dem Manager-Jargon.“ Daniel nickte: „Ja, danach war's alternativlos, aus dem Politiker-Jargon.“ Und jetzt Lügenpresse. Jargon aus menschenverachtenden Zeiten.
 
Da war sich der Stammtisch einig: Bei aller berechtigten Medienkritik – dieser pauschale Vorwurf aus der strammrechten Ecke ist eklig. Wenn das alles wäre. Journalisten werden erschossen, gefoltert, bedroht, gejagt, eingesperrt. Die Arbeitgeber lassen uns im Stich. Und nun Frontalangriffe auf die Ehre.
 
„Das soll noch Spaß machen?“ schnaubte Christine. „Wir bemühen uns doch im Lokalen alle, gut zu recherchieren. Wir gehen raus zu den Leuten vor Ort, hören ihnen zu, fragen nach – und geben dann alles korrekt wieder. Wir arbeiten transparenter und näher am Leser denn je.“
 
Jens klagte: „Und trotzdem wird man auch noch verspottet. Neulich wurde ich im Stamm-Imbiss grinsend gefragt: Na, was willste? Einen Lügenburger?“ Manni legte nach: „Früher bekam man bei Theo am Kiosk, wenn man ein Lügenblatt bestellte, die BILD. Und wir haben beide gezwinkert. Heute weiß Theo gar nicht, was er einem da geben soll. Der drückt Dir glatt die Süddeutsche in die Hand.“
 
Inge fiel diese Demonstrantin ein, aus Dresden. „Die sagte kürzlich, wohl in Andenken an frühere Zeiten, Journalisten müssten ja gleichgeschaltet schreiben, damit sie ihre Lizenz nicht verlieren.“ Lizenz? Sowas gibt’s nicht. Davon ab: Als wenn man zum Lügen eine Lizenz bräuchte. Und: Journalisten auf eine Linie bringen - das schaffen ja noch nicht einmal die Gewerkschaften. Wir kugelten vor Lachen.
 
Wir diskutierten noch stundenlang. Ob „Medienverdrossenheit“ heute nicht eher die Gefühle der Medien beschreibt. Ob wir unseren Stammtisch umbenennen in: Münchhausens Urenkel, mit Pinocchio als Maskottchen. Ob wir samstags Satire-Demos machen sollten: LOL – Lügen ohne Lizenz. Ob der Job überhaupt noch Zukunft hat. Das ging bis in die Puppen. Selbst der Wirt verzog sich in sein Bett, mit den Worten: Der letzte macht das Licht aus. Wir nickten stumm. Genau.