Montag, 24. August 2015

Kein Funke-Anstand

Karikatur: Karlheinz Stannies
Also, ich persönlich finde das Verhalten zunehmend unwürdig und unanständig: Die Besitzer und Manager der Essener Funke-Mediengruppe (früher WAZ-Gruppe) benehmen sich inzwischen nur noch wie 08/15-Arbeitgeber. Das Haus wird seelenlos.

Sie waren schon ziemlich skrupellos, als es um die Schließung Dutzender Lokalredaktionen und den Abbau ganzer Hundertschaften von redaktionellen Arbeitsplätzen ging. Und mit ihnen verschwanden: viel Vor-Ort-Erfahrung und Wissen, gewachsene Leserbindung, Präsenz beim Leser. Dabei ging auch viel vom Geist der jeweiligen Blätter verloren, unsäglicher Höhepunkt: die komplett fremdbefüllte Westfälische Rundschau wurde zum Zombie.

Der Niedergang des Hauses als verschworene Gemeinschaft, mit wohlgesonnenen Chefs und stolzen Belegschaften, fing mit den Geschäftsführern Hombach und Nienhaus an und hört, nach der Mehrheitsübernahme durch Funke-Tochter Petra Grotkamp, mit den Herren Braun und Wüller leider nicht auf. Im Gegenteil: es wird schlimmer.

Anfangs gab es wenigstens noch das Minimum an unternehmerischem Anstand, mit den Betriebsräten einen halbwegs akzeptablen Sozialplan für die vielen freigesetzten (oft langjährigen) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abzuschließen und für sie Auffanggesellschaften und Qualifizierungsmaßnahmen mitzufinanzieren. Schließlich waren es die "Gefeuerten", die - gemeinsam mit ihren Familien - für die oft sprunghaft hochtrabenden Ideen der Höchstbezahlten mit ihren Jobs büßen mussten.

Inzwischen, nach dem Zukauf einiger Springer-Produkte (für 920 Millionen Euro), hat die Funke-Gruppe anscheinend den letzten Rest Herz für ihre Belegschaften über die Rendite-Reling geworfen. Es geht aktuell um den Zentralen Newsdesk in Essen. Viele Jahre wurde er als zukunftsweisender Heilsbringer hochstilisiert. Ihm wurden Lokalredaktionen und hunderte Jobs geopfert. Nun wird dieser Desk geschlossen, das journalistische Zentrum der Gruppe löst sich erstmals vom Ruhrgebiet (der Wiege des ganzen Ladens) und wird in Berlin neu aus dem Boden gestampft. Hauptstadt-Mania.

Deutlicher kann Funke den fundamentalen Sinneswandel nicht machen: Lokalzeitungen, war da mal was? Wir sind jetzt bundesweite Spieler! Für Lokalkolorit hier sorgen sollen die bis zur Schmerzgrenze belasteten verbliebenen Vor-Ort-Redaktionen sowie die gerupften Titel-Redaktionen.

Von der Auflösung des Essener Content-Desks betroffen sind rund 100 Leute. Für 14 von ihnen gibt es bisher angeblich keine hausinterne Lösung. Vierzehn. Mittlerweile könnten es auch nur noch neun sein, wie man hört. Was mich als alten Betriebsrat fassungslos macht: Das große Medienhaus Funke, das eine Handvoll Leute locker (und nutzbringend!) im zu dünn besetzten Lokalen unterbringen könnte, ist sich nicht zu schade, mit juristischen Winkelzügen erpresserisch zu drohen: Da die Desk-Firma komplett geschlossen wird, dürfe man auch einfach kündigen - ohne nach Alternativen suchen zu müssen.

Funke, wie haste Dir verändert!

Die nach neun Gesprächsrunden entnervten Betriebsräte zogen die Reißleine. Sie erklärten: Die Sozialplan-Verhandlungen sind gescheitert, siehe
hier und hier, und riefen die Einigungsstelle an. In dieser Woche findet deren erste Sitzung statt.

Warum scheut Funke einen Sozialplan? Weil er wohl zum Maßstab für weitere Maßnahmen würde? Was ist noch geplant? Gutes kann es kaum sein: Der gleichzeitig verkündete umfangreiche
Struktur-Umbau, der u.a. den ganzen Sport und Online neu in eigene kleine Gesellschaften bündelt, landet fast ausnahmslos in der künftigen Tariflosigkeit. Früher undenkbar. Vor kurzem hatte sich Funke übrigens noch feiern lassen, weil Onliner in den Tarif sollten. Heute werden tariflose Firmen am Fließband gegründet.

Sicher, die Branche ist gewaltig im Umbruch. Aber anständig ist anders. Früher galt die damalige WAZ-Gruppe mal als zwar kniepiger, aber verlässlich fürsorglicher (und tariftreuer) Arbeitgeber. Eine große Familie. Diesen Ruf hat die Mediengruppe, allen Sonntagsreden der Vorturner zum Trotz, verspielt. Ein Jammer.


*
Ach ja: Von der künftigen Sport-GmbH hört man, dass für den jetzigen Content-Sportchef dort kein Platz sein soll. Hausintern wird das künftige Sport-Kompetenzzentrum des Hauses Funke schon so abgekürzt: Sport-Kotz.


 

Donnerstag, 20. August 2015

Womöglich braucht man Journalismus schon gar nicht mehr...

Vera Bunse
Wenn's um das Netz und Netz-Politik, aber auch um Medien und Online-Journalismus oder auch Datenschutz und Bürgerrechte geht, dann kennt "man" sie ganz einfach: Vera Bunse. Über 30 Jahre im Netz und selten ruhig - da bleibt das nicht aus. Einige Jahre bei Carta taten ein Übriges. Kurz: Wenn Vera was denkt, dann liest man das. In Ihrem Blog mit dem großen roten kleinen b schrieb sie jetzt etwas zum Zustand des Journalismus im Netz. Da geht's um Meinungen wie Efeu, Feigenblätter und Branchenfremdes. Sie meint: Alles wird noch schlimmer. Ich freue mich, dass ich Veras klugen Beitrag hier bringen darf, proudly presented:

Von VERA BUNSE

Die Schweizer Medienwoche hat eine
Serie gestartet, in der sie den Zustand des Journalimus im Netz beleuchten will. Den ersten Beitrag, auf den ich hier eingehe, hat Ronnie Grob geschrieben: Der Journalismus im Internet ist eine Enttäuschung. Denn damit Du diesen Text liest, brauchst Du so eine Schlagzeile.

Lieber Ronnie,
du bist ein bisschen unfair (wirklich nur ein bisschen): Es wird schon mit Journalismus Geld erlöst, es kommt dem Journalismus nur nicht zugute.
Dass Journalisten im Netz kaum Geld verdienen, liegt am Austausch von zwangsläufig verrückten Zeitungsleuten gegen kühle Controller. Natürlich muss und soll ein privatwirtschaftliches Unternehmen Geld verdienen, Zeitungen waren aber immer ein Zuschussgeschäft. Lange Zeit liefen sie mit Idealismus und Werbeeinnahmen. Das hat sich durch Digitalisierung und Neoliberalismus geändert: Eine Zeitung lässt sich nämlich ohne Weiteres auch mit Tierfutter, Partnerbörsen oder Immobilien finanzieren. Nur, dass der Bärenanteil des erlösten Geldes nicht mehr in Redaktionen investiert, sondern zur Finanzierung weiterer branchenfremder Unternehmungen ausgegeben wird oder auf den Konten von Aktionären verschwindet.

Die Monetarisierung gedruckter wie gepixelter Inhalte steht gebieterisch über allem. Die Produkte Nachricht und Information, überhaupt “der Journalismus” haben massiv an Bedeutung verloren. Sieh dir die Blogs an, auch die von Journalisten: Auch da gibt es kaum noch leidenschaftliche Leute, die etwas bewegen wollen; die größeren (deutschen) Blogs kannst du an zwei Händen abzählen. Wenn jemand fragt, ob du Blogger bist, kommt todsicher als nächste Frage: “Kannst du davon leben?” Freie werden mittlerweile dasselbe gefragt, und viele können es nicht. Es gibt nicht viele Möglichkeiten, damit umzugehen: auf Qualität pfeifen und den Massengeschmack befriedigen, ein privates Blog aufmachen und hoffen, dass es sich schon irgendwann irgendwie tragen wird,
oder aufhören und was Anderes machen.
Wir haben kürzlich im Freundeskreis diskutiert, ob wir heute noch ein Mehrautorenblog machen würden. Ja, klar, jederzeit – aber nur, wenn die Finanzierung für mindestens ein Jahr durch Brief und Siegel gesichert ist. Qualität wird also hier wie dort nur noch von Leuten hergestellt, die es sich leisten können: durch Festanstellung, Sponsoring, oder weil sie mit einem anderen Beruf ihre Miete reinkriegen. Der Rest krebst so vor sich hin.

Ich verstehe deshalb jeden, der in die PR geht. Er kann sein Schreibhobby weiter pflegen und mit seiner Arbeit die Familie ernähren. Wohl dem, der einen halbwegs sicheren Arbeitsplatz ergattern kann. Wenn die Edelfedern einst ausgestorben sind, wird der eigentliche Nachwuchs längst abgewandert sein und keine Lust mehr auf dann noch ausgedünntere Redaktionen haben, während etwa Coca-Cola ganze komfortable Abteilungen aus dem Boden stampft. Sicher gibt es junge Journalisten mit Köpfen voller guter Ideen. Aber es sind sehr viele, und bis auf wenige Ausnahmen werden sie ihrem gewählten Traumberuf nicht dauerhaft nachgehen können.

“Auswege” wie Facebook: Der Vertriebsweg ist diskutabel, Facebooks ethisches Verhalten ist es nicht. Und was passiert mit den Inhalten, wenn Zuckerberg wieder einmal einen seiner spontanen Einfälle hat? Ich möchte aktuelle Informationen auch nicht von FB beziehen, weil ich nie sicher wäre, ob die nicht gefärbt sind. Ja, sind manche andere auch, da traue ich mir aber eher ein Urteil zu.

Dass aus der Politik Hilfe kommt, halte ich für unwahrscheinlich. In ein paar Bundesländern wird vielleicht dem Journalismus die Gemeinnützigkeit zuerkannt, aber das sind Feigenblätter. So, wie es jetzt ist, ist es doch recht angenehm. Ich lese kaum noch journalistische Attacken gegen Politiker, aber immer öfter, der Politiker X habe im Blatt Y das und das gesagt, und dann wird das Blatt oder der Autor diskreditiert. Oder es wird gleich entlang der Regierungslinie gemeint – berichtet wird ja immer weniger. Wer wegen Unbotmäßigkeit aus den Berliner Zirkeln rausfliegt, hat Probleme. Das wird niemand riskieren, denn wer nicht zum Hintergrundgespräch geladen wird, erfährt nichts mehr, über das er schreiben könnte. So breiten sich die Meinungen wie Efeu aus, während Informationen hilfsweise durch eine Anklage wegen Landesverrats unterdrückt werden. Das ist nicht demokratisch, da aber die ehemalige vierte Gewalt auch sehen muss, wo sie bleibt, müssen wir uns wohl darauf einstellen. In der zerfaserten Öffentlichkeit interessiert sich ohnehin nur noch jeder für sich selbst und vielleicht für die neueste Health App. Womöglich braucht man Journalismus schon gar nicht mehr, und wir haben es nur noch nicht bemerkt.

Jetzt noch schnell eigene Erfahrungen. Anfragen für Texte, Redaktion oder Korrekturen gibt es, nicht viele, aber es würde reichen, wenn die Jobs bezahlt würden. Ich weiß, dass viele Kollegen das kennen und wie ich diese Jobs trotzdem machen, um im Gespräch zu bleiben. Ich rede hier übrigens auch von großen Verlagen, die durchaus bezahlen könnten, werde sie aber – wie es die Kollegen auch machen – nicht benennen, denn es könnte ja doch mal sein … Vorläufiges Ende vom Lied: Ab 1. September kriege ich Hartz IV, obwohl ich viel kann, fleißig, zuverlässig und gut vernetzt bin. Das geht anderen Freien genauso, und absehbar wird sich daran nichts ändern. Es wird sogar noch schlimmer werden. Aber daran sind nicht die mangelnden Erlöse schuld.


*
(Die Hervorhebungen sind von mir; alle Rechte am Text hat Vera Bunse.)


Donnerstag, 13. August 2015

Ein Mann, ein Klo

Karikatur: Karlheinz Stannies
Das Arsenal der Medienberater ist schier unerschöpflich. Früher hieß es als Vorgabe: Ein Mann, eine Seite. Heute sind die sündhaft teuer bezahlten Einflüsterer weiter. Hören wir mal beispielhaft rein:
***

„Es gibt doch immer nur einen Journalismus, den guten“, schmierte der Berater den Medienmanagern erst Honig ums Maul. Seine Augen wurden schmal: „Und wieso leisten Sie sich dann mehr als eine Redaktion?“ Zack, das saß. Die Manager zuckten. Sie alle hatten mehrere Zeitungen im Portfolio. Früher mal wegen der Anzeigengebiete zusammengekauft.

"Legen Sie alles zusammen“, beriet der Berater. Wozu viele Journalisten, wenn jeder doch dasselbe macht? „Behalten Sie nur die Besten!“ Eine kleine Zentralredaktion für alle Titel – das spart. „Und Sie können behaupten: Ja, wir werfen raus, aber die Qualität steigt. Viel bedeutet ja nicht Vielfalt. Weniger ist mehr.“

Plattitüden konnte er. Den großen Schritt behielt er natürlich für sich. Nur noch eine einzige Redaktion für alle Medienhäuser, bundesweit. Mit nur wenigen Managern. Das wäre der Rendite-Knaller. Er seufzte. Ja, er hatte noch Zukunftsvisionen.

Aber noch gab es Schecks, äh, Synergien, wohin man blickte. Zombie-Zeitungen, eine Redaktion für zwei, eine Zentralredaktion für viele. Tarifbindung aufgeben und dieselben Leute untertariflich oder frei beschäftigen. Es war doch so einfach. Die Medienbranche war auf einem guten Weg. Für Berater. Die wahren Gewinner der Digitalisierung. Und wenn er nur an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dachte – so viele Sender, so viele Wellen, so viele Redaktionen, so viele Gremien, herrlich!

Seine Fragen trieben die Verleger in die Enge. Wieso nutzen Sie vor Ort nicht die billigsten Freien und Leserreporter? Wieso tauschen Sie nicht noch mehr Lokalteile aus? Wieso legen Sie Print und Online nicht zusammen? Wieso trennen Sie nicht beide wieder? Egal was, Hauptsache: Sparmaßnahme.

Er lächelte. Von ihm könnte selbst Schäuble noch was lernen. Der Berater fuhr mit dem Finger über seine beeindruckenden Zahlenkolonnen. „Und wieso leisten sie sich 70 Klos für die Redaktion?“ Der noch unreife Jungmanager wollte erklären, dass die halt alle in anderen Städten... „Schnickschnack“, fuhr ihm die Berater über den Mund. „Statistik lügt nicht. Da muss man einen Laden nicht kennen. Ein Mann, ein Klo... das sprengt die Benchmark.“ Die Verleger unterschrieben.