Dienstag, 16. Januar 2018

"Da waren Menschen betroffen. Das ist zynisch"

Noch immer trauern viele Westfalen ihrer guten alten Rundschau nach.
Karikatur: Karlheinz Stannies
Ein Mann geht in den Ruhestand und blickt zurück auf seine Chef-Karriere. Der Laden hätte sich bestens entwickelt, urteilt er. Und, ach ja, merkt er noch lapidar an, natürlich hätte er wohl auch ein paar Fehler gemacht. Hört sich so an wie: machen wir doch alle, Schwamm drüber. „Das klingt so, als hätte Manfred Braun aus Versehen mal zu viel Kopierpapier bestellt. Dabei hat er gut 300 Existenzen vernichtet. Das ist zynisch“, so kommentiert der DJV-NRW-Landesvorsitzende Frank Stach die Abschieds-E-Mail, die der scheidende Funke-Geschäftsführer Manfred Braun an seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerichtet hat. Dokumentiert ist die Mail auf der Seite medienmoral-nrw.de, http://bit.ly/2Dh8UF2.
 
Er habe einen "großartigen Job" gemacht, lobte Julia Becker, Chefin der Funke-Mediengruppe, ihren Spitzenmann. Viele (Ex- und Noch-) Mitarbeiter, Betriebsräte, Gewerkschafter und Medienexperten sehen das ganz anders. Braun selbst schrieb:
„Natürlich habe ich Fehler gemacht. So bin ich heute zum Beispiel der Ansicht, dass wir mit der Westfälischen Rundschau anders hätten umgehen sollen, als wir es getan haben. Und hätten wir nicht auch für den Dortmunder Markt andere Lösungen finden können?“
Sie erinnern sich? Vor fünf Jahren hat die damalige WAZ-Gruppe (heute Funke) Knall auf Fall sämtliche Redaktionen der Westfälischen Rundschau (WR) geschlossen. 120 angestellte Redakteurinnen und Redakteure sowie rund 180 freie Journalistinnen und Journalisten verloren mit nur zwei Wochen Vorlauf ihre Jobs bzw. Auftragsgeber. Statt ihrer füllte der Konkurrent Ruhr-Nachrichten die Lokalseiten. Die Traditionszeitung wurde zum seelenlosen Zombie, die Meinungs- und Medienvielfalt im Ruhrgebiet brutal getroffen.


Lokalteil von einem, Hauptteil von einem anderen
Verlag, Zentral-Pools für viele Medienhäuser -
die Zeitungslandschaft wird zum Einheitsbrei.
Karikatur: Karlheinz Stannies
Der DJV-NRW verbindet mit dem Namen Braun vor allen Dingen Konzentrationsprozesse im Tageszeitungsbereich, sowohl auf lokaler als auch auf überregionaler Ebene. Auf die Schließung von Lokalredaktionen und die Zusammenarbeit mit Konkurrenztiteln kann man nicht stolz zu sein. Und sich Gedanken um den „Dortmunder Markt“ zu machen, aber m
it keinem Wort zu erwähnen, dass Menschen betroffen waren, von denen einige bis heute keine vergleichbare Anstellung gefunden haben, ist ebenfalls zynisch“, meint Stach. Außerdem habe Braun aus seinen eingestandenen Fehlern nichts gelernt: Noch vor kurzem hat die Funke-Mediengruppe den Fotopool kurzerhand aufgelöst, den 24 Beschäftigten des Fotopools wurde gekündigt. Der DJV: "Elf wurde angeboten, in die neu gegründete Funke Foto Services GmbH zu schlechteren Konditionen zu wechseln. Die übrigen Fotografen mussten sich in Konkurrenz zu Bewerbungen von außen um die restlichen vier Stellen neu bewerben. Neun Beschäftigte haben ihre Jobs verloren."
 
Stach appelliert an den Funke-Mediengruppe, mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Zukunft menschlicher umzugehen:. Man hoffe, dass der oder die neue Geschäftsführer/in für die Zeitungstitel "den Wert der Zusammenarbeit" wirklich erkenne und umsetzt – "und nicht nur in einer Betreffzeile nennt, wie Braun das in seiner Abschieds-E-Mail getan hat."

 

Unwort des Jahres

Karikatur, proudly presented: Berndt A. Skott.

Mensch, was habe ich damals vor dem Fernseher gelacht! Als die blonde Sprecherin des Weißen Hauses beim Versuch, ihren später gefeuerten Kollegen Sean Spicer gegen Lügen-Vorwürfe in Schutz zu nehmen, eine Sprach-Schöpfung vornahm: "Alternative Fakten" habe er genannt. Nach dem Motto aller Populisten dieser Welt: Hauptsache wir nennen es Fakten, egal ob sie stimmen - und was richtig ist, bestimmen sowieso wir. Natürlich lügen immer nur die anderen.

Jetzt wurde "Alternative Fakten" zum Unwort des Jahres 2017 gewählt. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) begrüßte das. Bundesvorsitzender Frank Überall betonte: "Es gibt keine Alternativen Fakten. Dieser Unwort-Begriff ist bloß die Umschreibung für Falschauskünfte. Gegen Alternative Fakten hilft nur unabhängiger Journalismus".

Der DJV warnte, je mehr bei Repräsentanten des Staates - bisher von Journalistinnen und Journalisten immer noch oft als "priviligierte Quellen" gesehen - der Populismus Einzug halte, umso mehr werde dieser Vertrauensvorschuss verspielt.

Mittwoch, 3. Januar 2018

Wenn nicht wir, wer dann?

Der Stammtisch lachte sich schlapp. „Die Gesichter dieser Manager hätte ich gern gesehen“, gluckste Hansi. In Köln kämpft eine zusammengelegte Redaktion um die Rückkehr in den Tarif für alle – und rechnete den Arbeitgebern knallhart vor: Sie können sich Tarif locker leistenWenn sie nur wollten. Manni gackerte: „Die dramatische Minus-Kurve war gar nicht ihr Geschäftsverlauf. Das waren ihre Personalkosten nach der Fusion.“ Patrick prustete: „Oder ihre Glaubwürdigkeitslinie.“ Wir stießen auf die Kölner Kollegen an, die gerade wieder im Streik sind, siehe hier. Die kämpfen irgendwie für uns alle. Vor allem für den Nachwuchs.

Luzie wischte den Schaum ab: „Schlimm ist, dass Medienmanager uns nicht mehr als Menschen sehen. Sondern als Kostenstelle, als Belastung, als Rendite-Gefahr, als Problem.“ Ja, das war mal anders. Senta meinte: „Wenn wir uns und unsere Jobs retten wollen, dann müssen wir wohl selbst was tun. Wenn nicht wir, wer dann?“

Betriebsräte sind die Schrecken vieler Medienmanager - vor allem der
dummen und kurzsichtigen... Karikatur: Karlheinz Stannies
Leicht gesagt. Paul stöhnte: „Jetzt fordern viele Arbeitgeber tatsächlich noch mehr Flexibilität, bei der Arbeitszeit.“ Kopfschütteln. Wir arbeiten bei Bedarf rund um die Uhr, auch an Wochenenden und Feiertagen. „Und hat es uns was gebracht?“ fragte Katrin theatralisch. Barbara schnaubte: „Mir brachte es 42 Tage Urlaub und 36 Überstunden-Tage. Die schiebe ich inzwischen vor mir her.“

Noch schlimmer als tariflos


Klarer Fall für den Betriebsrat“, haute Julian auf den Tisch. Betriebsrat? „Ja natürlich,“ sagte er. Und erzählte von Redaktionen mit funktionierender Arbeitszeiterfassung. Die malochen dadurch viel entspannter. Wir staunten. „Und warum hat unser Betriebsrat so etwas nicht durchgesetzt?“, fragte Paul. „Vielleicht, weil ihr ihn nicht unterstützt?“ Paul dachte nach. Könnte sein.

Julian warb weiter: „Im März sind in Medienhäusern Betriebsratswahlen. Da kommt es auf jeden von uns an. Denn ohne Betriebsrat – das ist noch schlimmer als tariflos. Da gehen viele wichtige Rechte verloren.“ Nicht nur beim Personalabbau. Betriebsräte haben Anspruch auf Infos darüber, was so geplant ist, können anregen und oft mitentscheiden. Er guckte jedem reihum tief in die Augen: „Und sie können speziell Dein Problem zeitnah lösen. Von Urlaub bis Rückenstuhl. Das ist Demokratie vom Feinsten. Im Betrieb.“ Wir bestellten voller Überzeugung noch eine Runde.