Thomas Mrazek ist im Netz sehr bekannt. Der Münchener ist freier Journalist, Dozent und Berater. Er ist der +++netzjournalist+++ und bei Onlinejournalismus.de seit 2005 für den Inhalt verantwortlich. Thomas ist aber auch sowas wie der "Mr. Online" beim Deutschen Journalisten-Verband (DJV). Immer wenn es im Netz hieß, der DJV habe ja keine Ahnung, wurde gleichzeitig - nicht grinsen, Thomas! - zugegeben: Aber sie haben ja den Thomas. Sprich: so ganz digital-doof kann diese Gewerkschaft also nicht sein. Thomas leitet den Fachausschuss Online des DJV sowie die Fachgruppe Online-Journalismus in seinem Landesverband Bayern. Für Onlinejournlismus.de interviewte er kürzlich zwei Dortmunder Journalistik-Studenten, die das Regenbogenpresse-Watchblog Topfvollgold gegründet haben. Langes Dingen, aber: Spannender Lesestoff! Mit Thomas' freundlicher Genehmigung nun auch hier - proudly presented:
Von THOMAS MRAZEK
Topfvollgold oder Komm' mit mir ins Regenbogenland … der Eintritt kostet den Verstand. Seit April betreiben die Dortmunder Journalistikstudenten Mats Schönauer und Moritz Tschermak das Watchblog Topfvollgold. Im Rahmen ihrer Bachelorarbeit berichten sie dort über die deutsche Regenbogenpresse. Den Verstand haben sie dabei noch nicht verloren, ganz im Gegenteil: mit Witz und Sachverstand geben sie prägnante Einblicke in ein bislang noch wenig erkundetes Mediensegment und freilich spielt auch das Thema Online hierbei eine Rolle. Wir haben ein E-Mail-Interview mit Mats und Moritz geführt.
Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, dieses Blog in Zusammenhang mit Eurer Bachelorarbeit einzurichten?
Moritz: Das Blog hätten wir auch ohne die Bachelorarbeit gestartet. Die Idee dazu ist uns beim Einkaufen im Supermarkt gekommen, als wir vor dem Zeitschriftenregal standen. Uns sind die widersprüchlichen Titelgeschichten direkt ins Auge gesprungen und wir haben uns gewundert, dass derart viele Zeitschriften mit „Freizeit“ im Namen existieren. Nach dem Lesen von zwei, drei Lügengeschichten war unser nächster Gedanke: Da müsste man doch mal was drüber machen.
Mats: Und da wir uns in unserem letzten Bachelor-Semester befinden, machten wir uns zu der Zeit sowieso Gedanken, was wir in unserer Abschlussarbeit machen wollen. An unserem Uni-Institut gibt es die Möglichkeit, neben dem wissenschaftlichen Teil ein Praxisprojekt in Angriff zu nehmen. Da passte die Idee für das Blog sehr gut. Denn bei unserer ersten Recherche hat sich auch gezeigt: Besonders viel wissenschaftliche Forschung zu dem Thema gibt es nicht.
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Mats Schönauer (links) und Moritz Tschermak |
Stefan Niggemeier äußerte sich ja recht ratlos darüber (Blog-Beitrag „Mats und Moritz gehen ans Ende des Regenbogens“), dass sich (Medien-)Journalisten kaum dafür interessieren, was in der Regenbogenpresse passiert – „was angesichts der üblen Methoden und dreisten Lügen schon erstaunlich ist“. Nun habt Ihr ja einige Erfahrungen gesammelt und schon binnen weniger Wochen belegt, dass diese Form der Publizistik – dezent gesprochen – medienethisch sehr bedenklich ist. Aber woher rührt dieses Desinteresse, sowohl der Medienjournalisten als auch der Medienwissenschaft? Werden diese Medien nicht ernst genommen, weil es hier nicht um Politik, Geld oder Sport geht?
Mats: Das dürfte zumindest ein Faktor sein. Welcher Medienjournalist, der für seriöse Blätter arbeiten will, beschäftigt sich schon freiwillig mit den Schmuddelheftchen der Regenbogenpresse? Wir können uns nur schwer vorstellen, dass so jemand in der Redaktionskonferenz vorschlägt, etwas über die „frau aktuell“ oder die „Freizeit kompakt“ zu machen. Das hängt auch damit zusammen, dass es nichts Neues ist, dass die Regenbogenpresse verdreht und lügt. Das läuft seit Jahrzehnten so. Warum soll man ausgerechnet jetzt darüber einen Artikel auf den ohnehin schon wenigen zur Verfügung stehenden Medienseiten bringen? Wir sehen das natürlich etwas anders.
500.000.000 Auflage per anno
Rund eine halbe Milliarde dieser Hefte werden jährlich hierzulande gedruckt. Könnt Ihr zumindest vage etwas darüber sagen, wie sich die Leserschaft der Regenbogenpresse zusammensetzt, vor allem die Altersstruktur wäre interessant?
Moritz: Wir haben uns mal die so genannten Objektprofile angeschaut, die die Regenbogenverlage selber veröffentlichen. Darin liefern sie für Anzeigenkunden Informationen über die Leserschaft. Für 22 (Geschlecht) beziehungsweise 16 Hefte (Alter, Bildung, Einkommen) haben wir diese Daten gefunden. Sie zeigen zum Beispiel, dass etwas über 37 Prozent der Leser 70 Jahre und älter sind. Über 50 Jahre alt sind sogar Dreiviertel der Leser. Außerdem sind über 80 Prozent weiblich. Weit über die Hälfte (66,5 Prozent) hat einen Haupt- beziehungsweise Volksschulabschluss. Und über die Hälfte der Leser (57 Prozent) verfügt über ein monatliches Haushaltsnettoeinkommen von weniger als 2000 Euro. Die dazugehörige
Infografik haben wir bei uns ins Blog gepackt.
Sterben der Regenbogenpresse nicht die Leser weg oder ist ein „Ende des Regenbogens“ nicht zu erwarten?
Mats: Die Regenbogenhefte verlieren deutlich an Auflage. Das mag zum Teil an der allgemeinen Printkrise liegen, aber sicher auch daran, dass ein guter Teil der Leser schlichtweg stirbt. Schaut man sich beispielsweise die „Neue Post“ an, dann sind das schon ziemlich dramatische Zahlen: Vor 15 Jahren kam das Heft mit einer Druckauflage von 1,7 Millionen auf den Markt. 1,3 Millionen davon gingen Woche für Woche über den Ladentisch. Heute verkauft die „Neue Post“ nur noch die Hälfte: 685.000 Hefte.
Moritz: Dennoch glauben wir nicht, dass der Markt in absehbarer Zeit komplett eingehen wird. Dafür ist er noch zu mächtig. Und das Bedürfnis vieler Leute nach Geschichten, die diese Blättchen liefern, zu groß.