Dienstag, 7. September 2021

Höhepunkte, Tiefpunkte

Bei Auflagenschwund: Nichts geht über guten Journalismus
Karikatur: Karlheinz Stannies
Aufreger gibt’s ja in unserer chronisch empörten Branche immer wieder. Und damit genug Gesprächsstoff für Lob und Lästern beim Stammtisch. „Da war doch die Kollegin von RTL, die sich mit Matsch beschmierte, damit die Flut-Reportage echter wirkt“, zählte Marvin auf. „Ein Ausrutscher“, sagte Daniela. Wir staunten über ihr mildes Urteil. „Ich meine, sie hätte doch, kurz vor live, nur schnell einen Umfaller vortäuschen müssen – und dann ganz professionell die dreckigste Schalte der Welt machen können.“ Julian giftete: „Egal wie, mit Schlamm hat RTL die Latte jedenfalls ganz schön hoch gehängt, zum Beispiel für das neue Bild-TV.“
Bevor wir lustvoll spekulieren konnten, womit Springer womöglich schmiert, machte Doreen ihrem Herzen Luft: „Die Funke-Mediengruppe hat’s schon wieder getan! Sie hat die nächste Zombie-Zeitung im Portfolio, von der Konkurrenz gefüllt, diesmal in Thüringen. Lokales geht anders.“ Wie auf Kommando startete der Stammtisch sein Zombie-Ritual: Alle streckten wackelnd die Arme vor, legten die Köpfe schief, verzerrten die Gesichter und röchelten „Fuuunke, Fuuuunke“.
„Der WDR will doch das Programm verjüngen“, wechselte Steffi das Thema. „Glaubt ihr, der Buhrow kann das? Mit seinen bald 63 Jahren.“ Müssten für so eine Aufgabe nicht deutlich jüngere Entscheider ran? Wir fragten uns, was dann wohl aus dem Intendanten würde. „Na ja, Moderator im Fernsehen jedenfalls nicht mehr“, kicherte Maike. „Höchstens Radiosprecher.“
Wir hatten aber auch eine gute Nachricht für Gesichtsälteste: Schrumpeln macht besser. Behauptet jedenfalls Springers Welt. Eine ganze Ausgabe pro Woche weniger, die Umfänge vom Rest um ein Drittel gekürzt – das ist gut, weil keiner mehr über die Woche so viel Welt lesen will, hatte Geschäftsführer Ulf sinngemäß begründet. Chefredakteur Ulf stimmte ihm angeblich zu. Wir fragten uns: „Beginnende Selbsterkenntnis?“ Und schüttelten gleich die Köpfe. Nicht bei dem.
„Mich hat ja dieser ehrliche Moment von Jeff Bezos, dem reichsten Arbeitgeber der Welt, beeindruckt“, meinte Claudia. „Als der aus dem All zurückkam…“ Petra grätschte verächtlich rein: „Pah! Der war nicht mal der erste Milliardär da oben!“ Claudia bedachte die Unterbrecherin mit einem Blick, der zum unkontrollierten Wiedereintritt geführt hätte: „Also, als der kleine Leuteschinder von Amazon zurück geliefert wurde, da bedankte er sich überschwänglich bei Kunden und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern: Danke, das habt ihr bezahlt.“
Wo er recht hat. Was wird wohl der nächste zu finanzierende Spleen der Reichen? „Nachdem es im All ja inzwischen wimmelt, wollen die Verleger lieber Tiefseetauchen“, hatte Stephan irgendwo gehört. Aber sie müssen sich beeilen. Sonst baut der Musk vorher Elektro-U-Boote. Und wieso Tiefsee? Stephan zwinkerte: „Na, viele Verleger sind doch immer wieder für einen Tiefpunkt gut, oder?“