Freitag, 14. Dezember 2018

Bisschen überspitzt: Schwingt WAZ wieder die Axt?

"Redakteurinnen und Redakteure sind keine Faulenzer",
stellt der DJV-Landesvorstand klar. Foto: Beate Krämer, DJV
Ist dieser neue Geschäftsführer einfach "nur" weltfremd und lebt in der Vergangenheit? Oder baut er bewusst auf provokante und beleidigende Thesen, weil wieder einmal harte Einschnitte drohen? Neu wäre das nicht für die Funke Mediengruppe. Womöglich wird die WAZ-Axt erneut geschwungen, zum x-ten Mal, fürchten Betriebsräte und Gewerkschaft.

In einem Video-Interview mit dem Branchenmagazin "werben&verkaufen" hat der bei der Essener Funke Mediengruppe für Zeitschriften und das Digitale zuständige Geschäftsführer Andreas Schoo die Zeitungsjournalisten als ziemlich faule Langschläfer beschrieben. Sie kämen so gegen 10 Uhr an, schwadroniert er, tränken dann vielleicht Kaffee, und erst nach der ersten Konferenz, um 12 Uhr, werde der Tag angegangen.

Die Betriebsräte meinen, er solle sich mal den
Redaktionsalltag ansehen: Andreas Schoo (Foto: Funke)
Aus welcher Mottenkiste hat der Herr Schoo denn diese Vorstellung vom Arbeitsablauf in einer heutigen Tageszeitungsredaktion hervorgekramt? "Bisschen überspitzt", fügte er eilig hinzu, als der Interviewer einhaken wollte. Sehen viele Medienmanager so ihre Redaktionen? Ich fürchte, ja.

"User first" müsse es künftig heißen, Abläufe müssten als Reaktion auf die Umbrüche bei den Medien auf den Kopf gestellt werden, sagte Schoo in dem Video-Interview. Sein Modell: Redaktionen müssen um 6 Uhr anfangen, den ganzen Tag publizieren, im Zwei-Schicht-Betrieb. Er meint: Das führt in den Redaktionen zu Euphorie. "Das müssen wir sehr kompromisslos angehen."

"Redakteurinnen und Redakteure als kaffeetrinkende Faulenzer hinzustellen - das geht gar nicht", schimpfte der Landesvorstand des DJV NRW. „Wir haben gehofft, dieser verächtliche Umgang der Funke Mediengruppe mit ihren Beschäftigten sei endlich Geschichte“, erklärte Landesvorsitzender Frank Stach. Seine Befürchtung: In der Vergangenheit hätten verschiedene Geschäftsführer mit ähnlich herablassenden Interviews tiefgreifende Einschnitte im Haus vorbereitet.

Der DJV NRW sei auch aktuell wieder besorgt wegen kursierender Gerüchte über erneute Umstrukturierungen und Sparmaßnahmen bei Funke. "Ein weiterer Personalabbau wäre mit dem Anspruch journalistischer Qualität aber nicht mehr vereinbar und würde die Zukunft der betroffenen Tageszeitungen gefährden“, so Frank Stach. „Kurz gesagt: die Leserinnen und Leser binden und neue gewinnen ist mit noch weniger Leuten schlicht nicht mehr möglich."

Auch die Betriebsräte von WAZ, NRZ, WP sowie Funke Sport und Funke Online reagierten stinksauer, beklagten in einem Offenen Brief u.a. Arbeitsverdichtung, Überstunden, zu Teil gesundheitsgefährdende Belastungen. Ihre Frage: "Wann waren Sie zum letzten Mal in einer Redaktion?" Und von wegen Euphorie! Eher gehe die Angst um, dass auch "User first"-Umstrukturierungen erneut eigentlich nur verkappte Sparmodelle sind. Hier der Text im Wortlaut:


Sehr geehrter Herr Schoo,
wir haben Ihre „überspitzt“ formulierte Video-Botschaft mit Befremden und Enttäuschung zur Kenntnis genommen. Tageszeitungsredakteure kommen also erst um 10 Uhr, trinken zwei Stunden Kaffee bis zur ersten Konferenz und gehen dann den Tag an. Wie kommen Sie eigentlich zu dieser Erkenntnis? Wann waren Sie zum letzten Mal in einer Lokalredaktion oder überhaupt in einer Zeitungsredaktion, die tagesaktuell produziert?
Schon jetzt bereiten wir abends Themen und Artikel für den nächsten Tag vor, weil der Arbeitsaufwand anders gar nicht mehr zu stemmen wäre. Wir wissen längst, dass wir als Tageszeitung kein Nachrichtenmonopol mehr haben. Gerade deshalb haben wir Konkurrenzmedien und Social Media zusätzlich im Blick. Wir stellen online, posten Facebook-Beiträge und sind bereits jetzt schon im Dialog mit den Lesern auf allen verfügbaren Kanälen.
Wir sehen User first als Perspektive und als Mittel, durch mehr digitale Abos die Verluste der Printausgaben zu stützen. Wir stellen uns dieser neuen Herausforderung, so wie wir es in den letzten zehn Jahren immer gemacht haben. Und das, obwohl die Redaktionen kontinuierlich personell ausgedünnt wurden und immer mehr Aufgaben dazu bekommen haben. Die Folge: Arbeitsverdichtung, Überstunden, steigende, zum Teil gesundheitsgefährdende Belastungen.
Von Euphorie in den Redaktionen kann keine Rede sein. Die könnte vielleicht entstehen, wenn wir nicht ständig in der Angst leben müssten, dass User first nicht doch ein Sparmodell ist und es eigentlich darum geht, noch weniger Menschen noch mehr Qualität abzuverlangen.
Wir laden Sie gern ein, unseren Arbeitsalltag einmal live vor Ort mit zu erleben.