Donnerstag, 28. Februar 2013

Betriebsrat - auch kein Zuckerschlecken

Ich kenne es von früher nur allzu gut: Betriebsrat sein in den Medien, das ist kein Zuckerschlecken. Oder möchten Sie gerade tauschen mit dem abwickelnden Betriebsrat der Westfälischen Rundschau? Aber auch sonst ist alles nicht einfach für Mitarbeitervertreter in Medienhäusern. Gerade in kleineren Gremien, in denen die Betriebsratsarbeit nebenher gemacht wird. Mein lieber ostwestfälischer Kollege Jost Wolf, der streikerfahren ist und beim DJV u.a. in den Landesfachausschüssen Junge Journalisten und Betriebsratsarbeit sowie bei den Tarifvordenkern auf Bundesebene mitmischt, hat sich so seine Gedanken gemacht - proudly presented:

Jost Wolf arbeitet bei der
Lippischen Landes-Zeitung
Von JOST WOLF

Als eine Kollegin vor ein paar Jahren die Betriebsratsarbeit hinschmiss, war ihre Begründung: „Ich muss damit jetzt erstmal für eine Weile aufhören. Ich bin es leid, mich für Menschen einzusetzen, die nicht bereit sind, für ihre Rechte einzustehen.“ Ich respektierte ihre Entscheidung und stellte mich selbst zur Wahl. Sonst wäre im Betriebsrat unseres kleinen, mittelständischen Verlags kein Redakteur mehr vertreten gewesen. Wäre doch gelacht... Schließlich sind wir nicht die WAZ.

Inzwischen kann ich den Frust der Kollegin gut verstehen. Mich nimmt die Betriebsratsarbeit psychisch sehr mit. Angetreten war ich, um endlich einmal mitzubekommen, was hinter den Kulissen passiert. Inzwischen will ich es oft gar nicht mehr so genau wissen. Vielleicht ist es für die Psyche gerade deshalb so schwierig, weil wir eben kein großer, anonymer Konzern mit einer Geschäftsführung sind, die nicht jeden Angestellten kennen kann. Bei uns kennt jeder jeden und das Du ist auch zwischen den verschiedenen Hierarchieebenen verbreitet.

Trotzdem gibt es Aktionen, bei denen ich nur ungläubig den Kopf schütteln kann.

Ob sie kleinkarierten Machtkämpfen entspringen, ob ihnen Unfähigkeit oder Unachtsamkeit zugrunde liegt – ich kann wirklich nur raten. Aber jedes Mal, wenn wieder so ein Fall an mich herangetragen wird, verliere ich ein wenig von meinem eigentlich unerschütterlichen Glauben an das Gute im Menschen.

Dazu kommen dann noch die regelmäßigen – vermutlich gar nicht mal böse gemeinten – Kommentare: „Oh, durfte ich das überhaupt sagen? Es ist ja der Betriebsrat im Raum.“ „Und was sagt der Betriebsrat dazu?“

“Der Betriebsrat” sagt jetzt erstmal gar nichts. Denn liebe Kollegen, der Betriebsrat ist in erster Linie Redakteur, der das Betriebsverfassungsgesetz auch nicht auswendig gelernt hat und seinen Job als Betriebsrat nebenher erledigen muss. Er will sich erstmal selbst informieren und dann überlegen wie er am geschicktesten vorgeht. Denn einfach ist die Materie eher selten. Danke für euer Verständnis.

Aber trotz allem Ärger: Betriebsratsarbeit hat was. Sie ist die einzige Möglichkeit für Angestellte in niedrigen Gehaltsgruppen, in ihrer Firma ein wenig mitbestimmen zu dürfen. Und das ist in Zeiten, in denen Konzernlenker immer öfter menschenfeindliche Entscheidungen treffen, offenbar bitter nötig. Das hat übrigens auch die Kollegin vom Anfang erkannt. Bei der nächsten Wahl ist sie wieder dabei.