Freitag, 25. April 2014

Daaafür?

Dass alle Welt zufrieden war nach einer Tarifrunde, nein, das hat es noch nie gegeben. Jedenfalls nicht bei uns Journalistinnen und Journalisten, die wir ja doch oft genug eher vielfältig und eigensinnig denken statt organisiert und solidarisch.

Streikmarsch durch Essen
Protest kommt von den hochmotivierten Streikenden, die sich - wenn die eigenen Verhandler den weißen Rauch schicken - zweifelnd fragen: Daaafür? Wäre nicht mehr gegangen? Und dabei schielen sie dann gern missmutig auf diejenigen Kolleginnen und Kollegen, ich nenne sie mal Kartei-Leichen, die nicht gestreikt haben: Wenn die uns nicht im Stich gelassen hätten...

Kritik hagelt es natürlich auch von Außenstehenden. Die in keiner Gewerkschaft sind, weil das doch soooo oldschool wäre und sie ohnehin alles besser allein geregelt kriegen. Ich nenne sie mal Solidar-Leichen. Sie melden sich nach jeder Tarifrunde lautstark mit Kritik und Häme zu Wort: Die Verleger lachen über Euch, haha.

Und es gibt Beobachter wie newsroom-Chef Bülend Üruk, die beiden Seiten - Gewerkschaften wie Zeitungsverlegerverband - bescheinigen, ihre Ziele nicht erreicht zu haben. Immerhin kriegen bei ihm aber vor allem die Verleger ihr Fett weg. Hier schreibt er: "Sie setzen mit ihrem Spar-Streich-Konzept die Zukunft ihrer Zeitungen aufs Spiel."

Also, an Kritik mangelt es nicht, nach elf Verhandlungsrunden und einem schlappen Kompromiss. Hier ein paar ganz persönliche Gedanken zu diesem vorläufigen Tarifergebnis, das z.B. hier oder als Tarifprotokoll inzwischen hier nachzulesen ist und ja erst noch von Gremien (wie etwa dem DJV-Bundesgesamtvorstand, am 16. Juni) abgenickt werden muss.

Geld
Jahaaa, liebe Kolleginnen und Kollegen, die ihr nach einem Jahrzehnt des Draufzahlens nun endlich einen tiefen Schluck aus der Pulle forderten und erwarteten: Für diese paar Piepen, die nach der stufenweisen Kürzung beim 14. Monatsgehalt übrig bleiben, hat es sich nicht gelohnt. Was die Veränderungen an der Berufserfahrungsstaffel bedeuten, muss man abwarten - noch nicht genug Infos. Aber es ging in der Tarifrunde eigentlich um viel mehr als Geld,
nämlich um den Flächentarif und die Onliner.

Onliner
Endlich, nach vielen Jahren des Forderns, ist da ein Durchbruch geschafft: Die Verleger akzeptieren die Aufnahme der Onliner in den Tarif. Für die Gewerkschaften sind Onliner keine Journalisten zweiter Klasse, sondern gleichberechtigt. Dies ist nun amtlich. Natürlich profitieren davon auf Anhieb nicht alle Onliner; die meisten wurden in den Medienhäusern ja in tariflose Mini-Gesellschaften abgeschoben. Aber daran könnten wir nun gemeinsam etwas ändern - jetzt, wo der Grundsatz steht. Übrigens, das klappt wirklich nur gemeinsam: Die Gewerkschaft kriegt das, Haus für Haus, nicht ohne eigenes Engagement der Betroffenen hin.

Fläche
Für den Erhalt des Flächentarifs haben die Gewerkschaften viele Kröten geschluckt und viel, womöglich zu viel Rücksicht auf den BDZV genommen. Die Verleger wollten Bezahlung nach der jeweiligen Kaufkraft einer Region. Wollten einen querbeet abgesenkten Billigtarif, bis hin zur Bestrafung von Kranken, den sie Tarifwerk Zukunft nannten - und wir Tarifwerk Zumutung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die ihr noch einen Tarif-Job habt und jetzt mosert: Fragt mal in den tariflosen Häusern nach, wie da so die Konditionen sind.

Sündenfall Nord
Für die Medienhäuser im Norden, außer Hamburg, wurde eine Extrawurst gebraten. Sie sollen die Absenkung des Jahreseinkommens um rund 1,8 Prozent durch Kürzungen bei Urlaubs- und Weihnachtsgeld sofort vornehmen dürfen - bei allen anderen dauert der Abbau ja fünf Jahre. Die Nord-Verleger hatten eine Ungleichbehandlung kategorisch gefordert und durch die Drohung, ansonsten komplett außer Tarif zu gehen, zur Erpressung gemacht. Ob man dies hinnehmen kann, etwa als Preis für das vermeintliche Versprechen, zunächst noch tarifgebunden zu bleiben - darüber wird intensiv mit den Betroffenen und in den Gremien zu sprechen sein. Ich finde: no go.

Berufseinsteiger vergrault?
Das bereitet Sorge: Dieser Tarifvertrag trägt u.a. durch die Streckung der Steigerungsstufen nach Berufsalter dazu bei, dass der Journalismus als Beruf erneut ein kleines Stückchen unattraktiver wird. Kajo Döhring, der Hauptgeschäfts- und Verhandlungsführer des DJV, gibt zu: "Ja, richtig ist, dass die künftigen Berufseinsteiger bei den Zeitungsverlagen schlechter gestellt sind als ihre Kollegen früherer Jahrgänge." Aber sie seien immer noch weit besser dran als Jungredakteure bei Privatradios und tariflosen Medienhäusern. Döhring: "30 Tage Urlaub, ein Einstiegsgehalt von 3.032 Euro, 13,5 Monatsgehälter pro Jahr und mit der Teilnahme an der Presse-Versorgung eine attraktive Altersversorgung – das sind wirklich gute Bedingungen für junge Journalistinnen und Journalisten."
 
Unterm Strich
Dieser Tarifabschluss ist nur schwer zu ertragen, finde ich. Aber man kann ihn, auch angesichts früherer und geplanter Zumutungen, ertragen. Vielleicht muss man dies sogar, weil in Sachen Flächentarif und Online-Zukunft etwas erreicht wurde. Wie gesagt: meine persönliche Meinung. Kajo Döhring glaubt, Weiterverhandeln und Weiterstreiken wäre "mit diesem Verlegerverband in seiner jetzigen Verfassung nicht mehr möglich gewesen". Einzige Alternative: Kampf um jedes Haus. Er wirbt da lieber für eine Zustimmung zum Kompromiss: "Nicht mit Freude, aber auch nicht mit schlechtem Gewissen."