Mittwoch, 19. Dezember 2012

Heilig's Deskle


"Wir haben jetzt zu Hause auch einen Desk", strahlte Gerd. "Weil ich meiner Frau erzählt hatte, dass meine Chefs schwören, NewsDesks steigern die Qualität und senken die Kosten." Ach ja? Wir wurden hellhörig. Und baten um mehr Informationen.

"Also", fing er an, "als erstes haben wir Oma und Opa abgeschafft. Die Alten bringen doch nichts mehr, die sollen ihren Lebensabend mal schön woanders genießen."

Er redete sich in Rage: "Am HomeDesk sitzen meine Frau und ich. Die Kinder müssen jetzt nicht mehr mitdenken, sondern können sich im Haushalt ganz auf Putzen und Einkaufen konzentrieren. Und natürlich auf viele andere Sachen, die bisher Oma und Opa erledigt haben. Sie müssen... ähm... dürfen aber ständig Listen einreichen, was sie gern tun würden."

"Klar", gab er zu, "die Kinder stöhnen,
zumal sie jetzt ja auch noch unsere Aufgaben... Wir selber kommen doch kaum noch zu was; meine Frau und ich müssen von morgens bis abends organisieren und entscheiden."

Sein Telefon klingelte. "Oh, hallo Schatz!" Er machte ein nachdenkliches Gesicht. "Nein, ich glaube, die Mülltonnen müssen heute noch nicht raus. Aber lass uns das in der Nachmittags- oder Abendkonferenz nochmal besprechen." Konferenzen? "Sicher, wir haben ständig Absprachetermine. Das kostet zwar viel Zeit. Aber wenn mal etwas entschieden ist, dann wird das auch umgesetzt."

Klingeling, wieder sein HomeDesk. Gerd lauschte in den Hörer. "Okay, okay, Schatz, solange wir nicht sicher wissen, wann die Mülltonnen raus müssen, können die Kinder ja schon mal eine von beiden an die Straße stellen." Sein stolzes Grinsen schien zu sagen: Heilig's Deskle, ein guter Kompromiss.

"Nur eines macht mir Sorgen", sagte Gerd. Wir zogen fragend die Brauen hoch, inzwischen schon auf alles gefasst. "Meine Frau findet wohl Gefallen am Rationalisieren. Sie hat gelesen, dass neuerdings immer mehr NewsDesks zusammengelegt werden. Ich fürchte, sie glaubt inzwischen, auch am HomeDesk wäre noch was zu verbessern."

Weia. Hat sie das gesagt? "Nicht direkt", antwortete Gerd zögerlich. "Aber gestern meinte sie, ich solle mal für eine Zeitlang Opa und Oma besuchen."