Fremdwort...? / Karikatur: Karlheinz Stannies |
„War das nicht großartig“, fragte
Hans rhetorisch, und der Stammtisch nickte begeistert. Die lokalen
Freien der Eßlinger Zeitung hatten gemeinsam gestreikt. Und nicht
nur kurz. Zwei Wochen lang. Der Manager versuchte noch, per
Riesenanzeige andere Freie zu finden: „Je flexibler desto besser“.
Aber auf die Schnelle gibt’s halt nirgendwo Ersatz für so viele
erfahrene Freie, die sich vor Ort auskennen. Also trug die Einigkeit
süße Früchte: Der Verlag erhöhte die Honorare.
Praktizierte Solidarität unter Freien.
Obwohl die doch meist die abhängigsten und erpressbarsten
Journalisten unter der Sonne sind. Freiwild aus Gutsherren-Sicht.
„Für mich ein Wunder“, schwärmte Annette, „möglich nur, weil
alle sich einig waren.“ Wir hätten nie gedacht, dass altgedienten
Haudegen Tränen in den Augen stehen. Einige von uns wischten sie
verschämt weg. Andere ließen sie gerührt kullern.
„Und dann war da noch“, schwappte
Petra weiter auf unserer Euphoriewelle, „der Bursche von Trumps
Lieblingssender Fox News. Der Präsident hatte keine Fragen von NBC
und CNN zugelassen, das seien Lügen-Produzenten. In seiner Sendung
später nahm der Fox-Mann die Kollegen in Schutz: Die seien keine
Fake-News-Sender, das sei unfair von Trump gewesen.“ Renate meinte:
„Mich hat beeindruckt, was auf dieser Pressekonferenz in
Brandenburg passiert ist. Die AfD warf einen Zeitungsmann raus, weil
der kritisch berichtet hatte. Daraufhin sind dann alle demonstrativ
rausgegangen – und die Braunen saßen bedröppelt da.“
Jepp, so muss das laufen: Wir müssen
mehr zusammenhalten, uns wehren. „Auch gegen unsere Arbeitgeber“,
lachte Sabine. Die Zeitungsmanager wollten in der Tarifrunde mal
wieder so richtig spottbillig davon kommen. „Aber die Streiks haben
sie zur Räson gebracht – höhere Gehälter und Honorare,
Flächentarif und Manteltarif verlängert, Onliner in die
Presseversorgung.“ Wir waren uns einig: Das klappte nur, weil sich
mehr Leute gewehrt haben, als bei einer Gehaltsrunde zu erwarten war.
„Widerstand geleistet haben auch die
Kolleginnen und Kollegen von der Rheinischen Redaktionsgemeinschaft
in Köln“, erinnerte uns Klaus an noch ein Erfolgserlebnis. Zwei
Verlage hatten ihre Lokalredaktionen zusammengelegt und die neue aus
dem Tarif gekegelt. „Die RRG-Leute wollten das nicht hinnehmen,
auch mit Blick auf die künftigen neuen Leute. Damit die nicht
tariflos sind. Sie kämpften und streikten – und bekommen jetzt
wohl einen umfassenden Haustarif. Jedenfalls ist das der Vorschlag
der eingeschalteten Landesschlichterin.“ Wir drückten die Daumen.
Wenn's klappt: ein Paradebeispiel und Hoffnungsschimmer für andere
Tariflose.
Wir blickten selig träumend vor uns
hin. Bis uns Penny, unser Küken, wieder erdete.
„Solidarität?“ schnaubte sie:
„Halten doch alle für hoffnungslos altmodisch...“ Wir überlegten
kurz. Dachten an Digitalisierung und Spar-Diktate, an unbedachte
Zentralisierung und Populismus, Fake News und rechte Attacken und
Todeslisten. Manni sagte: „Nein, in solchen Zeiten bin ich
eigentlich sicher, dass für die Zukunft des Journalismus und unserer
Jobs vor allem eines entscheidend ist: Gehen wir die Probleme als
Einzelkämpfer an, jeder für sich. Oder doch lieber als Kolleginnen
und Kollegen, die zusammenhalten. Solo oder Solidarität.“ Ja, das
ist hier die Frage.