Freitag, 24. August 2018

Das ist hier die Frage...

Fremdwort...? / Karikatur: Karlheinz Stannies
„War das nicht großartig“, fragte Hans rhetorisch, und der Stammtisch nickte begeistert. Die lokalen Freien der Eßlinger Zeitung hatten gemeinsam gestreikt. Und nicht nur kurz. Zwei Wochen lang. Der Manager versuchte noch, per Riesenanzeige andere Freie zu finden: „Je flexibler desto besser“. Aber auf die Schnelle gibt’s halt nirgendwo Ersatz für so viele erfahrene Freie, die sich vor Ort auskennen. Also trug die Einigkeit süße Früchte: Der Verlag erhöhte die Honorare.

Praktizierte Solidarität unter Freien. Obwohl die doch meist die abhängigsten und erpressbarsten Journalisten unter der Sonne sind. Freiwild aus Gutsherren-Sicht. „Für mich ein Wunder“, schwärmte Annette, „möglich nur, weil alle sich einig waren.“ Wir hätten nie gedacht, dass altgedienten Haudegen Tränen in den Augen stehen. Einige von uns wischten sie verschämt weg. Andere ließen sie gerührt kullern.

„Und dann war da noch“, schwappte Petra weiter auf unserer Euphoriewelle, „der Bursche von Trumps Lieblingssender Fox News. Der Präsident hatte keine Fragen von NBC und CNN zugelassen, das seien Lügen-Produzenten. In seiner Sendung später nahm der Fox-Mann die Kollegen in Schutz: Die seien keine Fake-News-Sender, das sei unfair von Trump gewesen.“ Renate meinte: „Mich hat beeindruckt, was auf dieser Pressekonferenz in Brandenburg passiert ist. Die AfD warf einen Zeitungsmann raus, weil der kritisch berichtet hatte. Daraufhin sind dann alle demonstrativ rausgegangen – und die Braunen saßen bedröppelt da.“

Jepp, so muss das laufen: Wir müssen mehr zusammenhalten, uns wehren. „Auch gegen unsere Arbeitgeber“, lachte Sabine. Die Zeitungsmanager wollten in der Tarifrunde mal wieder so richtig spottbillig davon kommen. „Aber die Streiks haben sie zur Räson gebracht – höhere Gehälter und Honorare, Flächentarif und Manteltarif verlängert, Onliner in die Presseversorgung.“ Wir waren uns einig: Das klappte nur, weil sich mehr Leute gewehrt haben, als bei einer Gehaltsrunde zu erwarten war.

„Widerstand geleistet haben auch die Kolleginnen und Kollegen von der Rheinischen Redaktionsgemeinschaft in Köln“, erinnerte uns Klaus an noch ein Erfolgserlebnis. Zwei Verlage hatten ihre Lokalredaktionen zusammengelegt und die neue aus dem Tarif gekegelt. „Die RRG-Leute wollten das nicht hinnehmen, auch mit Blick auf die künftigen neuen Leute. Damit die nicht tariflos sind. Sie kämpften und streikten – und bekommen jetzt wohl einen umfassenden Haustarif. Jedenfalls ist das der Vorschlag der eingeschalteten Landesschlichterin.“ Wir drückten die Daumen. Wenn's klappt: ein Paradebeispiel und Hoffnungsschimmer für andere Tariflose.

Wir blickten selig träumend vor uns hin. Bis uns Penny, unser Küken, wieder erdete.
„Solidarität?“ schnaubte sie: „Halten doch alle für hoffnungslos altmodisch...“ Wir überlegten kurz. Dachten an Digitalisierung und Spar-Diktate, an unbedachte Zentralisierung und Populismus, Fake News und rechte Attacken und Todeslisten. Manni sagte: „Nein, in solchen Zeiten bin ich eigentlich sicher, dass für die Zukunft des Journalismus und unserer Jobs vor allem eines entscheidend ist: Gehen wir die Probleme als Einzelkämpfer an, jeder für sich. Oder doch lieber als Kolleginnen und Kollegen, die zusammenhalten. Solo oder Solidarität.“ Ja, das ist hier die Frage.