Sonntag, 9. Mai 2021

Der Herr Kardinal und sein neuer Pranger

Frank Überall
Foto: Siess/HMKW
Prof. Dr. 
Frank Überall ist der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes. Er und der DJV stehen stets vor und hinter Journalistinnen und Journalisten, die (von brutal und hasserfüllt bis manchmal auch nur gedankenlos) bedroht und angefeindet werden. Obwohl sie doch nur ihren kritischen Job machen. Im Moment bringt ihn ein Kardinal auf die Palme. In Köln steht Herr Woelki seit Monaten in der Kritik (Missbrauchsskandal). "Jetzt stellt er einzelne Medienleute an den Pranger", empört sich Frank. "Ich habe eine Satire dazu gemacht. Kannst Du was zeichnen?" Ich konnte. Und darf im Gegenzug nun Franks Text zeigen, proudly presented:

Karikatur: Karlheinz Stannies

Von FRANK ÜBERALL

Im Missbrauchsskandal der Katholischen Kirche hatte das Kölner Erzbistum kommunikativ bisher kein glückliches Händchen. Jetzt aber können wir uns freuen: Alles wird besser! In endlosen Zoom-Konferenzen haben sich die Verantwortlichen abgestimmt und eine brandneue Strategie zur öffentlichen Kommunikation beschlossen, die Altbewährtes und Modernes miteinander versöhnt: Der gute alte Pranger wird wieder eingeführt!

Erste Ideen, einen solchen Pranger in mittelalterlicher Tradition mitten auf der Domplatte zu Köln aufzustellen, wurden nach Interventionen des städtischen Ordnungsamtes bedauerlicherweise zu den skandalbedingt angehäuften Aktenbergen gelegt. Dafür haben sich die funky Kleriker der Karnevalshochburg am Rhein eine digitale Alternative ausgedacht: Der moderne Pranger kommt nun digital per Pressemitteilung daher. Diese Erfahrung durfte als Pranger-Novize der Bild-Journalist Nikolaus H. machen.

Der hatte über Dokumente berichtet, die aus seiner Sicht der Öffentlichkeit noch nicht bekannt gewesen seien. Die Pranger-Profis von der Pressestelle des Erzbistums traten dem entgegen. So weit, so üblich. Sie nutzten die Reichweite ihres Prangerdienstes (pardon, es heißt wohl kirchenamtlich offiziell: „Pressedienstes“), um den Journalisten namentlich der Falsch-Darstellung zu bezichtigen. Ich kann und will mir an dieser Stelle kein Urteil darüber erlauben, ob die im Boulevardblatt berichteten Dokumente nun neu waren oder nicht. Für öffentliche Diskussionen haben sie aber allemal gesorgt.

Genau das ist die Aufgabe der unabhängigen und freien Presse. Dass man dafür am virtuellen Pranger landet, ist für den Betroffenen sicher gewöhnungsbedürftig. Ich erspare mir an dieser Stelle, im Gegenzug die Namen der Verantwortlichen des erzbistrühmlichen Pressedienstes ebenso namentlich in den Mittelpunkt zu stellen. Mein moralisches Wertekorsett erlaubt mir das eben nicht.

Laut Wikipedia wird der martialisch-historische Begriff des Prangers übrigens heutzutage auch im Bereich des BDSM verwendet. Ich hoffe, dass mit der Abkürzung auch wirklich niemand im weitverzweigten Kölner Erzbistum etwas anfangen kann.