Die Suche nach der Nachricht im Heuhaufen... Karikatur: Karlheinz Stannies |
Der Wirt schnappte nach Luft. Wir konnten Manni gerade noch daran hindern, ein Mikro aufzubauen und sein Aufnahmegerät zu starten. Typischer Anfall von criticaster obsessionis. Der Zwang, wie ein Journalist zu handeln. Also: investigativ, total misstrauisch und superkritisch. Wir kannten das schon. Das geht irgendwann in Fleisch und Blut über, man kann gar nicht mehr anders. Auch im Privatleben.
„Stimmt“, gab Heike zu. „Kürzlich habe ich meinen Mann einer knallharten Befragung unterzogen.“ Lippenstift am Kragen? „Nein“, grinste sie, „der Müll war noch nicht raus.“ Und, hat es was gebracht? „Klar“, sagte Heike, „er hat auch noch das nicht gemachte Bett gestanden.“ Gratulation zum Coup, Kollegin. „Na ja, danach gab's für mich zwei Wochen keinen Gute-Nacht-Kuss mehr.“
Tja, wer aufdeckt, hat nicht nur Freunde. Wir spürten aber auch: Der Umgang wird immer rauer, auch untereinander. Matthes dozierte: „Ich habe das Gefühl, wir decken nicht mehr nur auf, wir müssen auch gleich zur Strecke bringen.“ Es trifft längst nicht mehr nur Politiker, Staatsdiener oder Konzerne, denen man als Wächter unbedingt auf die Finger schauen muss.
„Sind wir auf dem Weg zum Kotzbrocken-Journalismus – kälter, kleinlicher, gemeiner?“ fragte Sabine. „Manchmal weiß ich nämlich nicht mehr so genau: Kritisierst Du noch – oder hetzt Du schon?“ Wir redeten noch lange über unsere Rolle zwischen Aufklärer und Ankläger.
Der Wirt verteilte Bier-Nachschub, Mannis Glas mussten wir zu ihm hinschieben. Er zuckte ungerührt mit den Schultern: „Ich bin halt kritisch. Ich hinterfrage eben alles“. Nur nicht Dich selbst, lag uns auf der Zunge. Aber wir sagten nichts. Unter Freunden, da fällt man schon mal aus der Rolle.