Da war sich der Stammtisch einig: Bei
aller berechtigten Medienkritik – dieser pauschale Vorwurf aus der
strammrechten Ecke ist eklig. Wenn das alles wäre. Journalisten
werden erschossen, gefoltert, bedroht, gejagt, eingesperrt. Die
Arbeitgeber lassen uns im Stich. Und nun Frontalangriffe auf die
Ehre.
„Das soll noch Spaß machen?“
schnaubte Christine. „Wir bemühen uns doch im Lokalen alle, gut zu
recherchieren. Wir gehen raus zu den Leuten vor Ort, hören ihnen zu,
fragen nach – und geben dann alles korrekt wieder. Wir arbeiten
transparenter und näher am Leser denn je.“
Jens klagte: „Und trotzdem wird man
auch noch verspottet. Neulich wurde ich im Stamm-Imbiss grinsend
gefragt: Na, was willste? Einen Lügenburger?“ Manni legte nach:
„Früher bekam man bei Theo am Kiosk, wenn man ein Lügenblatt
bestellte, die BILD. Und wir haben beide gezwinkert. Heute weiß Theo
gar nicht, was er einem da geben soll. Der drückt Dir glatt die
Süddeutsche in die Hand.“
Inge fiel diese Demonstrantin ein, aus
Dresden. „Die sagte kürzlich, wohl in Andenken an frühere Zeiten,
Journalisten müssten ja gleichgeschaltet schreiben, damit sie ihre
Lizenz nicht verlieren.“ Lizenz? Sowas gibt’s nicht. Davon ab:
Als wenn man zum Lügen eine Lizenz bräuchte. Und: Journalisten auf eine Linie bringen - das schaffen ja noch nicht einmal die Gewerkschaften. Wir kugelten vor
Lachen.
Wir diskutierten noch stundenlang. Ob
„Medienverdrossenheit“ heute nicht eher die Gefühle der Medien
beschreibt. Ob wir unseren Stammtisch umbenennen in: Münchhausens
Urenkel, mit Pinocchio als Maskottchen. Ob wir samstags Satire-Demos
machen sollten: LOL – Lügen ohne Lizenz. Ob der Job überhaupt
noch Zukunft hat. Das ging bis in die Puppen. Selbst der Wirt verzog
sich in sein Bett, mit den Worten: Der letzte macht das Licht aus.
Wir nickten stumm. Genau.