Samstag, 4. Oktober 2014

Silvernerds sind Netzeroberer

Ilse Mohr
Foto: privat
Ilse Mohr ist eine Journalistin aus Alfter bei Bonn und ist, Zitat: "damals gab es noch Tippex" Jahre alt. Sie arbeitete lange im Lokalen, inzwischen als Textcoach, betreibt ein Büro für Textqualität - und bloggt als Silvernerd. Über Social Media, digitale Gräben, Netzkompetenz und ihre Erlebnisse im Neuland mit ü50. Silversurfer waren gestern: "Silvernerds sind durchgeknallte ü50er, die plötzlich anfangen zu twittern und zu bloggen und aufhören, ihre Haare zu färben. Sie fühlen sich zu jung, um den Anschluss an die Welt zu verlieren, und tauschen Rezepte für Grießklößchen gegen Infos über dieses Internet." Besonders gefallen hat mir das Doppel-Interview Mutter-Tochter/Tochter-Mutter, siehe hier, in dem Ilse und Carline viel vom Familienleben im Netz verrieten: Möchtest Du mit mir befreundet sein, Kind? Und: Bin ich Dir bei Facebook peinlich, Mama? Für mein Blog schrieb die Kollegin auf, warum immer mehr Ältere munter herumnerden (sollten) - proudly presented:

Von ILSE MOHR

Rückt mal zusammen und macht im Internet Platz für die Silvernerds. So nenne ich Leute 50+, die das Stadium der belächelten Silversurfer hinter sich gelassen haben. Silvernerds springen mutig über den digitalen Graben und erobern sich das Internet als einen vergrößerten Lebensraum. Sie besiedeln das Neuland, gestalten es mit und leben dort genauso selbstverständlich wie in der realen Welt.

Der Begriff Silversurfer reicht nicht mehr aus, um die Umtriebigkeit älterer Menschen im Netz zu beschreiben, die angefangen haben zu twittern, zu bloggen und Videos hochzuladen; die sich per Hangout on air  in einer netzpolitischen Diskussion zu Wort zu melden, ihr Internetkenntnisse auf Fortbildungen erweitern und auf Barcamps neue Wege der Vernetzung gehen.
 
Silversurfer ist so 90er
Der Begriff Silversurfer wurde zum einen von Marketingstrategen Ende der 90er Jahre in die Welt gesetzt, die mit der Generation 50+ eine neue Zielgruppe im Internet entdeckt hatten. Zum anderen beschreibt der Begriff auch die Online-Aktivitäten der älteren Menschen, die sich überwiegend auf wenige bekannte Anwendungen beschränken: Informationen suchen, Suchmaschinen nutzen, E-Mails schreiben, Wetterinformationen suchen.
 
Selbst Flashmobs kennen längst kein Alter mehr -
wie hier beim Weltseniorentag in Köln (Foto: Ilse Mohr)
Das Netz kann mehr
Im Vergleich zu den jüngeren Generationen werden die Möglichkeiten zur Interaktion im Netz zwar noch wenig genutzt, aber die Generation zwischen 50 und 69 Jahren holt auf. Die ARD/ZDF-Onlinestudie 2014 zeigt, dass der Anteil dieser Altersgruppe in Onlinecommunitys (17%), Videoportalen (17%) und Chats (12%) und Internetforen (7%) steigt. Auch Blogs und Twitter sind für einen kleinen Teil der älteren Onliner kein Fremdwort mehr.
 
Web 2.0 löst das Surfen ab
„Einfach so im Internet surfen“ ist aus dem Fragenkatalog der ARD/ZDF-Studie in diesem Jahr verschwunden. 1999 kam "zielloses Surfen" bei der Online-Nutzung noch auf satte 77%, bis 2013 ist dieser Anteil auf 44 Prozent gesunken. Web-2.0-Anwendungen haben das Internet der 90er längst in eine Plattform verwandelt, die mit ihrer Interaktivität und Multimedialität auch ältere Späteinsteiger anlockt. Sie surfen dort nicht mehr, sondern nerden munter herum. Silvernerds eben.

Brücken zwischen Jung und Alt
Ein Problem ist für Ältere noch oft die ganze Technik. Erstaunliche 25 Prozent der 50-69jährigen nutzen zwar schon Apps auf Mobilgeräten, 50 Prozent dieser Altersgruppe schätzen nach den Ergebnissen der ARD/ZDF-Onlinestudie ihre Internetkenntnisse jedoch als weniger gut bis gar nicht gut ein. Mein Wunsch wäre, dass jeder jüngere Onliner als Netzpate Verantwortung für einen älteren Menschen in seinem Umfeld übernimmt. So kann auch die Gefahr einer digitalen Entfremdung zwischen den Generationen verringert  werden. Denn Netzkompetenz brauchen die Älteren auch den Enkeln zuliebe.