Donnerstag, 25. Juli 2013

"Im Pott nennt man sowas Verrat"...

Karikatur: Karlheinz Stannies
Springer verkauft seine Regionalzeitungen (u.a. das Hamburger Abendblatt) sowie einige Frauen- und Programmzeitschriften (u.a. Hörzu, Bild der Frau) an die Funke-Mediengruppe. Für 920 Millionen Euro. Das gaben beide Unternehmen bekannt, hier die Pressemitteilung. Ein Paukenschlag in der Medienbranche schrieb der Spiegel. "Traditionsmarken werden verscheuert" klagte der Betriebsrat.
Springer begründete die Abkehr von Print und den Abschied von den Wurzeln des Unternehmens mit seiner Digitalisierungsstrategie. Das kam bei der Börse gut an - die Aktie stieg deutlich. Auch auf Twitter fanden einige die Konsequenz gut. @Nico Lumma schrieb:

@jkrisch meinte lakonisch: "Altpapierentsorgung bei Springer". @senSATZionell fragte sich: ""Berliner Morgenpost" war zu 80% mit "Die Welt" verzahnt. Wie reißt Springer die Redaktion wieder auseinander?"

@vizepeersident hatte ein anderes Kalkül im Auge: "Ist natürlich ein Zufall, dass ProSiebenSat1 sich erst börsenfertig macht und Springer plötzlich massig Kohle zum Investieren übrig hat". Das vermutet auch @videopunk Markus Hüngen, der gleich fragte, ob die Goldene Kamera jetzt Sache der Essener wäre. Er machte aus dem Herzen keine Mördergrube:


@killerdicke Sebastian Dicke schrieb: "Dann hat die Funke-Mediengruppe bald noch mehr Gelegenheit, Lokalredaktionen zu schließen."
Ähnlich fühlten wohl auch andere, die hier im Ruhrgebiet die rigorosen Sparmaßnahmen der angeblich finanzklammen Funke-Gruppe genießen durften. Ihr fielen Hunderte Journalisten-Arbeitsplätze, Dutzende Redaktionen und die Eigenständigkeit einer ganzen Zeitung zum Opfer.

@fiete_stegers feixte: "Ob sich die Berliner und Hamburger auf den Lokalteil der Ruhrnachrichten freuen?"

Meedia kommentierte hier: "Man könnte auch sagen: Springer wettet auf die Zukunft, Funke kauft die Vergangenheit." @lost_in_neersen Christian Lange twitterte: "Da hat Springer einen Doofen gefunden :-)"

Der DJV lehnt Springers "Deal mit Funke" in einer ersten Stellungnahme strikt ab. „Ich bin in großer Sorge um die Arbeitsplätze bei den betroffenen Zeitungen und Zeitschriften“, wird DJV-Vorsitzender Michael Konken zitiert. Die Funke-Mediengruppe sei als Nachfolgerin des WAZ-Konzerns berüchtigt für harte Einsparungen zulasten des Qualitätsjournalismus. Der Kauf der Springer-Titel würde den Schuldenstand der Funke-Mediengruppe weiter erhöhen. „Die geplante Übernahme der Springer-Titel lässt nichts Gutes ahnen.“

Woher Petra Grotkamp & Co die knappe Milliarde nehmen? Wenn sie vorher nicht gelogen haben, müssen sie alles auf Pump kaufen. Einen Großteil der Kaufsumme (260 Millionen Euro) leiht Springer den Essenern, schreibt Meedia hier.

Übrigens, @pillenknick Hendryk Schäfer schrieb auf Twitter: "Faszinierend, dass alle den Verkauf von traditionsreichen Regionalzeitungen an die Funke Mediengruppe als Untergang des Abendlands sehen." Nein, lieber Hendryk, eher als Untergang dieser Regionalzeitungen. Dass sie's nicht zukunftsträchtig können, beweisen die Funkes ja in letzter Zeit.. ;o)

Der DJV-NRW warnt die Mediengruppe davor, den Deal mit erneuten Sparrunden in NRW und an anderen Standorten zu „finanzieren“. Über viele Monate hinweg hätten die Funke-Mitarbeiter jenseits des Sparens keine Strategie gesehen, was zu viel Frust geführt habe., heißt es in einer Pressemeldung. Uwe Tonscheidt, stellvertretender DJV-Landesvorsitzender, wird mit der bitteren Erkenntnis zitiert: „Für neue Kredite musste bei der Westfälischen Rundschau eine ganze Belegschaft gehen." Umso mehr sei es jetzt an den Essener Verantwortlichen, zu zeigen, dass ihnen zur Zukunft des Journalismus mehr einfalle, als Stellen zu streichen. 

Medienexperte Peter Turi kommentiert ahnungsvoll hier so:
"Den Mitarbeitern steht ein knüppelhartes Schrumpfprogramm bevor, welche Verheerungen das verursacht, ist bei der WAZ-Gruppe zu besichtigen."