Es wurde mucksmäuschenstill im
getäfelten Büro des Notars. Der Mann öffnete den Umschlag: „Wir
kommen jetzt zur Verkündung, welche Gewerkschaft die größte ist im
Betrieb.“ Der DJV hat zwölf Mitglieder, zählte er auf, die dju
fünf. Wir schauten rüber zu den verdi-Kollegen. Wahrscheinlich
würden wir wieder gemeinsame Sache machen in der Tarifrunde. „Aber“,
sagte der Notar...
„...die neue Gewerkschaft der Boten
hat 55 Mitglieder und darf somit als einzige hier im Betrieb einen
Tarifvertrag abschließen.“ Wir schauten uns an. Die „Bringer“?
So hatte sich die Boten-Gewerkschaft genannt, die sich kurz nach
Inkrafttreten des Tarifeinheit-Gesetzes gegründet und für allgemein
zuständig im Betrieb erklärt hatte. Schließlich war bei ihnen auch
der Redaktionsbote organisiert.
Der Verlagsmanager grinste, sein Plan
war aufgegangen: Erst die tariflose Auslagerung aller anderen
Abteilungen, bis die Mehrheit feststand, jetzt Verhandlungen nur mit
den Boten. Klasse, kein Journalismus-Geschwafel mehr. Danke, Frau
Nahles, für diese Art der Tarifeinheit.
Der Notar überreichte den „Bringern“
die Lizenz zum Tarifeln. Uns drückte er die obligatorische Einladung
in die Hand: einmal Kaffeetrinken mit dem Arbeitgeber. Aber er muss
zuhören, hatte die Ministerin ihre Reform bejubelt.
Wir schlichen bedröppelt aus der
Kanzlei. Auch in anderen Medienhäusern gab es neue Gewerkschaften.
Bei der Frauenzeitschrift Birgit zum Beispiel wurden alle
rausgeworfen, damit die verbleibenden Chefs die Mehrheit hatten. Sie
tauften ihre Gewerkschaft „Das Rückgrat“. Jedenfalls bis
herauskam, dass sie keins hatten.
Es gab auch Medienhäuser, die die
Gewerkschaften gleich ganz rauswarfen. Ein Verlag hatte gerade seine
Redaktion vor die Wahl gestellt: Tariflose Billig-Verträge oder
Kündigungen. Ach, und wenn ihr gewerkschaftliche Hilfe holt, feuern
wir erst recht. Überzeugende Argumente. Aus einer vergangenen Zeit,
die die Gutsherrn wohl zurücksehnten. Uns fröstelte.