Da bleibt noch viel Überzeugungsarbeit nötig. Karikatur: Karlheinz Stannies |
„Pah! Luftpumpen-Journalismus“, schnaubte Gerda verächtlich. „Egal ob Corona oder Bundestagswahl: ständig wurden Kleinigkeiten aufgeblasen“, hatte Katrin gemeckert. Bratwurst, Lastenrad, Gendersternchen, Geschwurbel von Hinterbänklern oder Hobby-Virologen – alles schien wichtiger als Fakten und Inhalte. „Hauptsache: beste Klickware“, nickte Sarah. Da reichten schon Halbsätze für Eilmeldungen und Schlagzeilen. Sprich: Anna- hatte bereits den Shitstorm am Hals, bevor -lena kam. „Mag sein, aber es muss pausenlos was geliefert werden – und die Klickzahlen waren doch wirklich toll“, bemühte sich Tom um Verständnis.
„Hör mir auf mit Klicks“, winkte Gregor ab. „Die allein sagen doch gar nichts aus über den Wert unserer Arbeit.“ Gesellschaftliche Relevanz, Debatte um ein wichtiges Thema bereichert, bedeutsame Stimme hörbar gemacht? „So etwas können Klicks nicht beantworten“, sagte Gregor. „Das können nur Redaktionen.“ Die Daten waren sicher eine gute Grundlage für interne Diskussionen – da waren wir uns einig. Aber Klicks dürfen nie und nimmer über Inhalte bestimmen.
„Tun sie aber längst“, maulte Gabi. „Es gibt Redaktionen, die – auf Geheiß der Bosse – ihre Berichterstattung nur noch nach dem vermeintlich gemessenen Leser-Interesse ausrichten“, maulte Gabi. „Schuld sind auch diese Analyse-Tools, die melden, wie viele Abos ein Bericht eingebracht hat“, schimpfte Barbara. „Bei uns werden inzwischen für jede Redaktion feste Abo-Zielvorgaben gemacht.“ Die Folge sei, dass alle mehr und mehr auf gängige Themen setzen. „Dabei ist die Themenauswahl ein Grundpfeiler unserer Profession“, grummelte Christian. „Wenn Zähl- und Analyse-Tools übernehmen, droht uns eine echte Journokalypse.“
Wir wurden ganz nachdenklich. Wie wird es weitergehen mit dem Journalismus? Hubert kramte eine Wahrsage-Kugel heraus: „Ich sehe eine wunderbare Tarifrunde zum Jahresende voraus“, orakelte er. „Schließlich sind wir nicht nur systemrelevant, wir sind jetzt auch Friedensnobelpreis. Das überzeugt die Arbeitgeber. Sie lieben uns jetzt.“ Hubert hatte wohl wieder die rosarote Kugel erwischt.
„Übrigens“, warf Marie ein, „ward ihr auch schon im DJV-NRW-Kino?“ Kinoabende mit Filmen, die sich mit Journalismus befassen. Eine großartige Idee für persönliche Treffs nach langer Corona-Abstinenz. „Die Streifen über die SZ und Monitor waren klasse“, sagte Petra. „Aber der übernächste ist mir zu gruselig. Da weiß ich nicht, ob das wirklich wie angekündigt nur Fiktion ist.“ Wie heißt denn der? „Job-Massaker der Killer-Klicks.“
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P.S.: Egal wie die Lese-Quote heute hier ausfällt, ich werde daraus einen klaren Schreibe-Auftrag für den nächsten Text ziehen.