Montag, 13. April 2015

Netzwerken lernen im Ehrenamt

Timo Stoppacher ist Freier
Journalist, Sachbuchautor
und Dozent
Timo Stoppacher ist mit mir seit einiger Zeit im Landesvorstand des DJV NRW. In seinem gemeinsam mit Bettina Blaß geführten Blog Fit für Journalismus beschrieb Timo jetzt die Macht des Netzwerkens, vor allem für Freie Journalisten. Und dass seine Mitgliedschaft im DJV dabei durchaus nützlich war. Natürlich habe ich Timo sofort gefragt, ob ich den Text übernehmen darf. Ich darf. Hier isser, proudly presented:

Von TIMO STOPPACHER

Als ich Journalismus studiert habe (2003 bis 2007), war die Medienkrise schon im Gange. Besser geworden ist es seitdem nicht, weshalb ich das Wort Krise nicht passend finde. Denn Krise bedeutet, dass es irgendwann wieder besser wird. Ich weiß nicht, ob es jemals wieder besser werden wird. Stattdessen ist schon jetzt vieles anders geworden. Statt Krise finde ich Begriffe wie Wandel oder Transformation sinnvoller.

In meinem Studium kam die Krise nicht vor. Oder man könnte sagen, die Wirklichkeit kam nicht vor. Wie der Arbeitsmarkt aussah, darüber haben wir nicht gesprochen. Stattdessen haben wir unter künstlichen Bedingungen Nachrichten gemacht, viele nette Texte geschrieben und uns in unseren Diplomarbeiten Themen gewidmet, die irgendwie wissenschaftlich waren. Themen wie Selbstständigkeit, Selbstvermarktung oder Netzwerken zur Jobsuche waren nicht auf der Tagesordnung.
 
Fast zehn Jahre weiter hat sich daran kaum etwas geändert. Weder an meiner Alma Mater, noch an vielen andere Ausbildungsstätten. Und so werden weiterhin jedes Jahr viele Journalisten „produziert“, die zwar ihr Handwerk beherrschen, aber mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben werden, auf die sie keiner vorbereitet hat. Ich gebe mein Bestes, junge Menschen auf die Realität vorzubereiten. Ich unterrichte an zwei Fachhochschulen und erzähle jedem Studenten, egal ob er es wissen will oder nicht, dass seine Chancen auf eine Festanstellung ziemlich gering sind. Irgendjemand muss es ihnen sagen.
 
Als eine Kölner Schülerin neulich twitterte, dass sie Gedichte in vier Sprachen analysieren könne, aber keine Ahnung von Steuern oder Mietverträgen habe, ging sofort die Diskussion los, was Schule vermitteln muss. Ich möchte diese Diskussion auf den Journalismus anwenden, weil ich immer noch den Eindruck habe, dass sie dort nicht angekommen ist.
 
Netzwerken wird einem nicht im Studium beigebracht
 
Erst vor kurzen traf ich einen ehemaligen Studenten wieder, der sich nach Studienabbruch nun als selbstständiger Videojournalist versucht. Er konnte mir genau sagen, was er dafür aus dem Studium mitnehmen konnte und was ihm fehlt: „Netzwerken“. Er habe gemerkt, wie wichtig das sei, um weiter zu kommen. Als überzeugter Netzwerker kann ich ihm da nur zustimmen. Als freier Journalist bekomme ich viele Aufträge über mein Netzwerk.
 
Nach dieser Begegnung habe ich mich gefragt, wo ich eigentlich das Netzwerken gelernt habe. Ich denke, dass das bei mir im Ehrenamt im DJV war. Seit Beginn meines Studiums war ich DJV-Mitglied, und ich bin gleich zu einigen Veranstaltungen hin, weil ich neugierig auf meine zukünftigen Kollegen war. Nun waren meine ersten DJV-Veranstaltungen eher gesellige Rentnertreffen, aber schon bald entdeckte ich die Veranstaltungen für junge Journalisten, die es im DJV gibt. Die meisten Veranstaltungen wurden ehrenamtlich von anderen Mitgliedern organisiert, sodass man schnell ins Gespräch und in Kontakt kam. Mein Netzwerk begann zu wachsen.
 
Und nach ein paar Treffen machte ich mit und auf einmal leitete ich den DJV-Fachausschuss Junge Journalistinnen und Journalisten in NRW. Heute bin ich Mitglied im Landesvorstand und in mehreren Arbeitsgemeinschaften.
 
Ich will jetzt nicht explizit den DJV über den grünen Klee loben. Es gibt – wie vermutlich in jedem Verein – auch Dinge, wo man einfach nur die Augen rollt. Dazu hatte ich schon mal was bei Lousypennies fremdgebloggt. Aber ich weiß, dass mein Engagement im DJV mit dafür verantwortlich ist, wie sich mein Berufsleben entwickelt hat.
 
Denn im DJV habe ich erfahren, wie die Realität im Beruf aussieht. Durch persönliche Berichte von anderen Journalisten, Erfahrungsaustausch auf Veranstaltungen und so weiter. Ich habe mir dort ein großes Netzwerk aufgebaut, das auch noch weiter wächst und mir immer wieder hilft.
 
Mir liegt dieses Thema auch darum am Herzen, weil sich regelmäßig junge Kolleginnen und Kollegen an mich wenden, um zu diversen Fragen meine Meinung zu hören. Was ihnen fehlt merkt man in der Regel sofort: ein Netzwerk. Egal ob im DJV oder in anderen Verbänden, jeder in unserem Beruf braucht ein starkes Netzwerk. Einzelkämpfer werden an ihre Grenzen stoßen. Und dieses Thema muss unbedingt auf die Agenda jeder Journalistenausbildung.