Dienstag, 16. September 2014

Journalismus-Zukunft: Unsinnige Debatten

Peter Welchering
Hört mit der unsinnigen Diskussion über die Zukunft des Journalismus auf und macht statt dessen wieder eure Arbeit als Journalisten. Dazu ruft Peter Welchering in seinem Blog auf. Der Stuttgarter (der hier schon einmal über Lokaljournalismus schrieb) arbeitet mit einem eigenen digitalen Hörfunkstudio für öffentlich-rechtliche Sender, lehrt an Journalistenschulen und als Medientrainer und ist im Landesvorstand des DJV Baden-Württemberg. Hier sein "höchst subjektiver Zwischenruf" - proudly presented:

Von PETER WELCHERING
 
Auf allen möglichen Konferenzen, in Blog-Beiträgen und in viel zu vielen Feuilleton-Beiträgen wird über die Zukunft des Journalismus diskutiert, wehgeklagt und vor allen Dingen lamentiert. Von einem aussterbenden Gewerbe ist die Rede; gefordert wird, die journalistische Tätigkeit als gemeinnützige im steuerrechtlichen Sinne anzuerkennen, und einige wollen den Journalismus herrlichen crossmedialen Zeiten entgegenführen.
 
Neue Finanzierungsmodelle, neue Formen der Zugangsbeschränkung in diesen einst freiesten aller Berufe, von neuen Journalismen wird geraunt, die die alte, verstaubte, aus den Zeiten des Print und des Rundfunks stammende Profession ablösen wird. Die Zukunft des Journalismus liegt dann wahlweise im Drohnen-Journalismus, im Daten-Journalismus oder im Roboter-Journalismus. Neue Studiengänge entstehen, die die Zukunft des Journalismus absichern sollen, aber eigentlich nur die Segmentierungstheorie aus den 1980er-Jahren auf die journalistische Ausbildung anwenden, derzufolge damals aus Musikwissenschaft das Spezialfach mittelalterliches Flötenspiel zu werden hatte.
 
Zukunftspapiere entstehen zu Hauf. Man kann sie gar nicht alle lesen, und es lohnt zum größten Teil auch nicht. Die einen schwärmen darin, dass der Journalismus der Zukunft selbstbestimmte Arbeit bringen werde, die anderen sehen das Heil des Gewerbes im Journalismus Marke Ich-AG, und Dritte wiederum glauben, dass nur noch Stiftungen und Crowdfunding das so ersehnte Heil in dieser heillosen journalistischen Gegenwart bringen.
 
Es wird darum gestritten, ob Storytelling oder Corporate Publishing mit dem Sonderbeschäftigungsbereich Native Advertising die besseren Jobs im Journalismus der Zukunft sichern, und debattiert wird, ob nicht doch Content Delivery die hauptsächliche Ausübungsform in diesem Gewerbe sein wird.
 
Vergessen wird in allen diesen Diskussionen vollkommen, dass der Journalismus nur dann eine Zukunft hat, wenn wir Journalisten unsere Arbeit handwerklich sauber erledigen, mit der diese Gesellschaft uns beauftragt hat, und diese Aufgabe heißt: Die journalistsiche Wächterfunktion wahrnehmen!
 
Diese Aufgabe hat viele Aspekte, stellt hohe Herausforderungen und setzt eine ganze Menge methodisches Wissen, aber auch enorm viel Leidenschaft für die Wahrheit, für das System der Checks & Balances, auf dem rechtsstaatliche Verfasstheit beruht, und für diese demokratisch organisierte Gesellschaft voraus. Das ist zweifellos unangenehmer, als sein Heil in neuen Bindestrich-Journalismen à la mittelalterlichem Flötenspiel zu suchen, denn es geht einher mit vielen Anfeindungen, extrem viel Fleißarbeit und hartem Ringen um die richtigen Worte.
 
Die Zukunft des Journalismus liegt ganz einfach darin, dass Journalisten endlich wieder die ihnen übertragene Wächterfunktion wahrnehmen. So einfach ist das!
 
Das Problem dabei: Viel zu wenige Journalisten tun das noch. Sie haben die Wächterfunktion aufgegeben. Denn wer es ernst meint mit der journalistischen Wächterfunktion, der eckt an, bekommt nicht selten Schwierigkeiten, wird bedroht. Wer statt dessen lieber fürs Native Advertising schreibt oder sein Geld damit verdient, dass er Verlage und Sendeanstalten als Digital-Prophet in Grund und Boden berät, verdient mehr Geld und hat ein besseres Leben. Nur eine Zukunft hat er mit dieser kurzweiligen Publizistik-Zauberei nicht.
 
Deshalb sollten wir Journalisten endlich damit aufhören, dicke und weitgehend inhaltsleere Papiere über die Zukunft des Journalismus zu produzieren und uns statt dessen wieder aktiv um unsere Wächterrolle kümmern. Das braucht die Gesellschaft, und dafür ist sie bereit, zu zahlen, und eben nicht für irgendeinen affigen Modetrend in Richtung „brave new journalism“.