Sonntag, 23. Februar 2014

Reichweite zahlt keine Miete

Ninia Binias aus Hannover - sie slämmt Poetry und mänätscht Social Media - schreibt, wie ich es mag: witzig, aber mit Absicht(en), auf den Punkt. Ihr Blog heißt NiniaLaGrande. Über Twitter fand ich dort ihren Text "Reichweite zahlt keine Miete". Über Urheber und ihre Erfahrungen mit Auftraggebern. Lesenswert! Ninia gestattet mir, ein paar Passagen zu zitieren. Hier - proudly presented - der Einstieg ins Thema: Es klingelt.

Ich öffne die Tür.Der Mann im Anzug und teure Designerschuhe tragend, der vor mir steht, lächelt und sagt: "Hallo, ich bin von Firma 'Bla'. Wir sind eine ganz tolle Firma und wollen genau Sie dabei haben. Sie bekommen ein eigenes Blog innerhalb unserer Plattform und kommentieren in regelmäßigen Abständen das politisch-gesellschaftliche Geschehen, Nagellackfarben und den unsinnigen Tod von Zootieren. IST DAS NICHT EIN SUPER ANGEBOT?"
Was mache ich?

Genau.
Ich freue mich ein bisschen und frage, was ich dafür bekommen würde.
Und dann antwortet der Mann folgendes: "Äh... Was Sie dafür bekommen? Ja, also, das müsste Ihnen doch klar sein! Aufmerksamkeit! Reichweite! Leserinnen und Leser!"
"Nein, nein, ich meine, was ich finanziell dafür bekomme."
"Ja, also, finanziell", stottert der Mann und fängt an, etwas von Budgetdingen zu erzählen.
"Aber Sie sind doch Bloggerin! Sie schreiben doch quasi freiwillig und sowieso immer. Da müssten Sie doch mit mehr Reichweite zufrieden sein."
"Nein."
"Doch. Und jetzt passen Sie mal auf! Das, das, das macht sich sicherlich auch gut in Ihrem Lebenslauf." (Obacht: Totschlagargument.)
"Oh ja, na gut. Da haben Sie natürlich Recht." Ich unterschreibe den Vertrag und alle sind glücklich.


Und später dann folgt der (natürlich zum Scheitern verurteilte) Versuch, beim Einkauf eines Rocks mit Reichweite und Lebenslauf zu punkten:

Im Geschäft suche ich mir einen wirklich entzückenden Rock aus und trage ihn voller Stolz zur Kasse. Die Kassiererin scannt das Preisschild ein und sagt: "49,90 Euro, bitte." Ich antworte: "Schon in Ordnung. Ich trage den Rock ja in der Öffentlichkeit." Dieses Mal ist sie verwirrt. "Ich trage den Rock. In. Der. Öffentlichkeit", antworte ich langsamer. "Ich mache damit Werbung für Sie. Ich laufe herum und erzähle allen, dass ich diesen Rock von Ihnen bekommen habe. So haben wir doch beide etwas davon." "Nein", antwortet sie. Ich werde langsam wütend und will ihr den Rock samt Tüte aus den Händen reißen, um zu gehen. Sie drückt einen Notknopf unter der Kasse und als ich von den Sicherheitsbeamten weggetragen werde, schreie ich ihr ein "DAS MACHT SICH BESTIMMT AUCH GUT AUF IHREM LEBENSLAUF" hinterher.

Wer den ganzen Text lesen möchte, und das dürfte jetzt so ziemlich jede(r) sein, findet ihn: hier.