Donnerstag, 14. März 2013

Wildwest-Methoden vor der Tarifrunde

Heute musste ich schmunzeln. Auf Twitter pries der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) seine neueste Pressemitteilung: "Tarifverträge nicht aushöhlen!" an: "DJV fordert Erhalt der Flächentarifverträge für rund 14.000 Redakteure an Tageszeitungen." Und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) twitterte eine Behauptung zurück: "Verleger auch."

Also, da musste ich schmunzeln. Über die Chuzpe des Verlegerverbands, die Verlage als Hüter der Flächentarife hinzustellen. Verlage, die seit Jahren ganz eindeutig dokumentieren, was sie vom Flächentarifvertrag halten - durch Rausmogelei, Umgehung, Vertragsbruch. Die Magdeburger Volkstimme zum Beispiel hat - mit dem Ziel, Rechte auszuhebeln und Tarife zu unterlaufen - schon die Lokalredaktionen ausgegliedert und nun die Mantelredaktion in Mini-GmbHs zerschlagen. Die taz schreibt: "Tschüss, Mitbestimmung".

Man kann einen Flächentarifvertrag für Journalistinnen und Journalisten natürlich für altmodisch halten. Aber ohne ihn gäbe es Hauen und Stechen und eine finanzielle und soziale Abwärtsspirale für alle. Ohnehin ist er längst zum Flickenteppich verkommen. Es vergeht keine Tarifrunde, in der nicht einzelne Verlage erklären, sie gäben kein Verhandlungsmandat. Und wenn wir zwischendurch mal an Vergütungsregeln denken, die mit Verlegerverbänden gemeinsam ausgehandelt und danach von vielen Verlagen nicht eingehalten wurden, dann erkennt man schnell, wie unzuverlässig Verlage heute ticken.

Georg Wallraf
Foto: BDZV
Der BDZV-Twitterer schränkte seine erstaunliche Behauptung pflichtgemäß gleich ein: "Jedoch müssen wirtschaftliche Lage und regionale Unterschiede berücksichtigt werden." Aha. Fläche klingt anders. Und gleich im nächsten Tweet wies der BDZV die Forderungen von ver.di zur nächsten Gehaltsrunde (5,5%) als völlig übertrieben zurück. Siehe auch die BDZV-Presseerklärung. Verhandlungsführer Georg Wallraf: "Utopisch!"

DJV-Sprecher Hendrik Zörner klagte im DJV-Blog über den Egiosmus der Verlage. Er schrieb: "Flächentarifverträge haben gleiche Arbeits- und Einkommensbedingungen für die Mitarbeiter einer Branche zum Ziel. Ob ein Redakteur in Ostfriesland oder Oberbayern arbeitet, soll nach dem Tarif keine Rolle spielen. Doch für manche Zeitungsverlage ist das bloße Theorie. Sie mogeln sich aus den Tarifverträgen, indem sie ihrem Arbeitgeberverband BDZV den Rücken kehren oder von dessen Möglichkeit der Mitgliedschaft ohne Tarifbindung Gebrauch machen. Der DJV hat die schwarzen Schafe aufgelistet."

Auf einer Internetseite listet der DJV seit Jahren die "Tarifumgehung der Verlage" auf. Schauen Sie es sich mal in Ruhe an, ob "Ihre" Zeitung auch dabei ist. Die Liste wird immer länger: Mehr als 20 Mal Outsourcing, fast zwei Dutzend Fälle von Leiharbeit, über 50 Mal nur noch OT-Mitgliedschaft im BDZV, über ein Dutzend anderer Fälle, vom Komplett-Austritt aus dem BDZV bis zur Aufsplitterung in Klein-GmbHs, dazu untertarifliche Journalistenausbildung.


Michael Konken
Foto: DJV/Anja Cord
DJV-Vorsitzender Michael Konken kritisierte die "kaufmännischen Wildwestmethoden" von Verlagen, die "in krassem Gegensatz zur Tarifpartnerschaft" stünden: „Wenn einzelne Verlage das Tarifgefüge ignorieren und auf Dumping-Konditionen setzen, schaden sie nicht nur dem Journalismus, sondern auch ihrem Geschäftsmodell.“
Sprecher Hendrik Zörner: "Dass solche Verleger Schlimmeres anrichten als ein wenig Porzellan zu zerschlagen, wissen die Kollegen in den Redaktionen zur Genüge. Das sollte man im Hinterkopf haben, wenn sich in diesem Jahr der Vorhang zu den nächsten Tarifverhandlungen öffnet."

Ziel des DJV sei es, so Konken, die Tarifverträge zu erneuern und sie in den Verlagen wieder stärker zu verankern. Die Regelwerke müssten den zum Teil rasanten Veränderungen in der Medienwelt angepasst werden. Die Bezahlung von fest angestellten und freien Mitarbeitern der Verlage müsse den steigenden Leistungsanforderungen gerecht werden. Über die Tarifforderungen des DJV wird dessen Bundesgesamtvorstand als Große Tarifkommission Mitte April beschließen.